Endlich sollte es mal wieder für den Jan und mich auf eine etwas längere
Tour gehen, Griechenland war das auserwählte Ziel. Gut zwei Monate vorher
buchte man den Easyjet-Flug Dortmund-Thessaloniki -Dortmund für 200 Euro,
ohne die genaue Spielansetzung zu kennen. Aber da sich im Raum Thessaloniki
und Athen eigentlich jedes Wochenende attraktive Spiele finden lassen, war dies
jetzt nicht so das Problem.
Am Donnerstag Morgen hob also der Flieger planmäßig gen Südosten
ab und nach fast dreistündigem Flug war das vorerste Ziel erreicht. Die
Hafenstadt Thessaloniki, das Ganze allerdings bei Regenwetter. Malaka, da hatte
man doch insgeheim gedacht, man könnte nebenbei ganz praktisch dem grauen
Herbstwetter in der Heimat entfliehen und jetzt siehts hier genauso aus, wie
bei uns.
Ticket für die gut halbstündige Busfahrt ins Zentrum (50 Cent) gekauft
und mal auf den Bus gewartet. Dabei mit einem etwas älteren Herrn, der
hier irgendjemanden Besuchen wollte, ins Gespräch gekommen und paar allgemeine
Infos bezüglich Land, Leute usw. bekommen.
Im Bus war er dann wohl etwas besorgt um uns, jedenfalls traute er uns anscheinend
nicht zu, dass wir es schaffen selbstständig am Bahnhof (war ja unser nächstes
Ziel) auszusteigen und sprach daher erstmal Einheimische an, uns doch bitte
deutlich zu erkennen zu geben, wenn wir am Ziel sind. Sicherlich nett gemeint,
aber doch bisschen unangenehm. Am Ziel dann schnell alle Gute gewünscht
und raus. Bisschen größer hab ich mir den Bahnhof einer 800.000 Einwohner
Stadt dann doch vorgestellt.
Hotel Rex in Bahnhofsnähe sollte uns für die nächsten zwei Nächte
beherbergen. Der recht gammlige Eindruck von außen
wurde beim Betreten des Gebäudes eigentlich nur noch bestätigt, der
Mensch am Empfang drückt uns zwei Schlüssel in die Hand und lässt
uns eins von zwei Zimmern wählen. Zur Auswahl stehen Zimmer A Marke klein
und muffig mit Hinterhofausblick und Zimmer B Marke klein und muffig, dafür
aber mit kleinem Balkon mit Blick auf die Hauptverkehrstraße. Apropos
Verkehr. Ganz übel was in dieser Stadt so auf den Straßen abgeht.
Völlig überfüllt, jeder fährt praktisch wie er will und
hupt dabei ständig sinnlos herum. Mofa- bzw. Rollerfahrer schlängeln
sich durch die Blechlawinen und wer dabei einem Helm trägt oder bei Dunkelheit
ein Licht anhat, ist vermutlich total uncool. Zudem wird derzeit eifrig (oder
auch nicht) seit etwas mehr als einem Jahr an einer Metro gebaut, was natürlich
für weitere Großbaustellen mitten in der Stadt sorgt. Fertigstellung
in ca. vier Jahren, wers glaubt......
Gut, dieses Spektakel vom Balkon ist immer noch besser als scheißende
Tauben im Hinterhof, also für dieses Zimmer entschieden. Der Jan wollte
am liebsten direkt wieder auschecken, auf dem gammligen Teppichboden waren undefinierbare
schwarze Flecken, die Bettdecken waren vermutlich ein Paradies für Bettwanzen,
Toilette und Dusche befanden sich auf dem Flur und im TV liefen von 21 Sendern
21 griechische, davon 10 mit Flimmern.
Solange mich aber keine Ratte anspringt reicht mir eigentlich ein Bett und ein
Dach über dem Kopf, also doch fürs Bleiben entschieden. Ist ja eh
nur zum Pennen gedacht also direkt weiter per Taxi hoch zur, von alten Stadtmauern
umgebenen, Festung oberhalb der Stadt. Hierher treibt es scheinbar eher selten
Touristen, man ist fast komplett unter Einheimischen und hat einem grandiosen
Ausblick über die Stadt und das Meer. Zumindest wenn es nicht so diesig,
wie am heutigen Tag und nicht kurz vor Sonnenuntergang ist. Hier kurz verweilt
und zu Fuß weiter den Ostteil der Stadt erkundet. Irgendwo sah man ein
Flutlicht und lief in dessen Richtung, um wenig später festzustellen, dass
in einem Freibad irgendwelche Kiddies Schwimmtraining betreiben.
Der Jan schoss dennoch einige Fotos der Schwimmanlage, ehe wir uns wieder verzogen.
Sicherlich für Außenstehende ein seltsames Bild, wenn zwei verlauste
Typen mit Rucksäcken plötzlich am Beckenrand auftauchen, Fotos machen
und wieder verschwinden.....
Wenige Gehminuten nebenan steht übrigens der Kaftanzoglio-Ground von Iraklis
Thessaloniki (dritte Kraft der Stadt hinter POAK und Aris), zu dem wir jedoch
keinen Einlass fanden und diesen so nur von außen begutachten konnten.
Auf dem Weg durch die Stadt übrigens an jeder dritten Häuserwand je
nach Gebiet POAK oder Aris Graffitis. Selten eine Stadt gesehen, die so zugemalt
ist.
Anschließend wieder den Rückweg entlang der Promenade am Mittelmeer
angetreten. Hier ein wirklich schöner Ort der Stadt und auch wohl das eigentliche
Zentrum. Viele Bars und Kneipen und massig junge Leute unterwegs. Sehr schön.
Noch kurz ne Gyros Pitta (gibt's hier an jeder Straßenecke für ca.
2 Euro, lecker und macht halbwegs satt) und Bier eingeworfen, ehe man sich irgendwann
wieder auf dem Hotelzimmer wiederfand.
Am nächsten Morgen völlig idyllisch vom Verkehrslärm geweckt,
stand der Tag vollkommen im Zeichen des Sightseeings, da das anvisierte Spiel
erst am folgenden Tag stattfinden sollte.
Mit Stadtplan ausgerüstet und per pedes (ich finde, fremde Städte
lassen sich grundsätzlich zu Fuß erkunden, da einem so die allermeisten
Details am ehesten auffallen) ging es nun in den Nordwesten der Stadt, wo man
sich das Stadion (Toumbas) von POAK erhoffte und sich nach 2-stündigem
(!) Fußmarsch dabei wunderte, als einem ein Einheimischer sagte, es seien
noch ca. 6 km bis zum Stadion obwohl es laut Plan höchstens einer sein
dürfte.
Des Rätsels Lösung folgte aber wenig später, als man ernüchternd
feststellte, dass es sich bei dem eingezeichneten Stadion nicht um das gesuchte
handelte, sondern nur um das Trainingsgelände (??). Malaka!! Keine Ahnung,
warum das POAK Stadion nicht im Stadtplan ist, während sich sonst jeder
Sportplatz dort finden lässt. Vermutlich von einem Aris-Lad entworfen,
hehe.
Jetzt nochmal bis ans andere Ende der Stadt zu laufen oder zu fahren hatte keiner
Bock, also mal zum riesigen Soldatenfriedhof und anschließend zum Hafen,
der aber ziemlich unspektakulär daherkommt. Wenigstens gibt's hier nen
Lidl, der günstige 0,5 Dosen Veltins anbietet und sogleich in uns die Abnehmer
einer Palette findet.
Den ganzen Krempel erstmal im Hotelzimmer verstaut, zwei Stündchen gepennt
und den Abend wiederum an der belebten Uferpromenade ausklingen lassen.
Nächster Tag, Derbytag! Auch wenn es nur das "kleine" Stadtderby
ist, blickte ich mit Vorfreude auf den Abend. Hotelzimmer geräumt, Sachen
am Bahnhof einschließen und den Tag bei bestem Wetter (heute waren die
Wolken weg und 25 Grad lachten uns an. Das Wetter sollte sich auch bis zum Ende
der Tor so halten) rumkriegen. Spiel war ja erst um 19 Uhr, also massig Zeit
zum Chillen und in der Sonne liegen.
Wiederum per pedes ging es dann gegen späten Nachmittag zum Aris Ground,
der sehr nett in einem engen Wohngebiet gelegen ist. Hier schon ein paar Typen
von der Policija damit beschäftigt, die Straßen abzusperren, aber
ansonsten alles friedlich und keine Aggressionen seitens der anwesenden Arisfans.
Die hinterlegten Karten lagen bereit und so enterte man bereits knappe zwei
Stunden vor Kickoff das Stadion, welches mir richtig gut gefällt. Zwar
reines Sitzplatzstadion aber gesessen wird hier im Folgenden nur von den wenigsten
der anwesenden Zuschauer. Lediglich die Haupttribüne ist überdacht
und auf den Hintertortribünen finden sich die stimmgewaltigen Heimanhänger.
Besonders auf derjenigen, auf der sich das Gate 3 befindet, lässt sich
"Super 3" ,was so was wie die Fanvereinigung bzw. der Zusammenschluss
der Aris-Supporter darstellt, mit seinen Sektionen nieder.
Zudem ist das Stadion von sehr enger Bauweise, wodurch man unglaublich nah am
Spielgeschehen ist.
Während sich das Stadion langsam füllt, schaut man noch die letzte
halbe Stunde des Spiels Stuttgart-Werder in der, innerhalb der Haupttribüne
integrierten, Kneipe. Die Bundesliga wird hier in Griechenland übrigens
stark vermarktet und ist auch ansonsten bei den Griechen recht beliebt. So gibt
es zum Beispiel eigene Sender, die sich nahezu ausschließlich mit dem
Kommerz-Fußball made in Germany beschäftigen.
So, eine dreiviertel Stunde noch bis zum Anpfiff, also mal wieder zurück
auf die Tribüne. Gästefans auch schon reichlich anwesend und eifrig
gegen die jenseits des Pufferblocks abgeschirmten Aris-Leute am Pöbeln.
Sehr aggressiver Haufen, Schals des Heimanhanges werden verbrannt usw.
Zum Anpfiff dann das Stadion gut, wenn auch nicht komplett, gefüllt. Super
3 zunächst mit einer großen Blockfahne und anschließend wird
die gesamte Tribüne in dichte gelbe Rauchschwaden gelegt, was schon sehr
geil aussieht. Dazu Gesänge die sehr fein melodisch rüberkommen und
irgendwie alles total an Argentinien erinnert. Leute springen wie wild durcheinander,
klettern auf den Plexiglaszaun, hängen über der Brüstung und
drehen einfach nur durch.
Der Jan war zwar der Meinung, dass der Support von Aris zwar gut war, aber dennoch
zu sehr einfach nur das Programm durchgezogen wurde, ohne richtigen Bezug zum
Spiel zu haben. Schwierig zu sagen, in einigen Situationen schien es wirklich
so. Oder lag es daran, dass die Heimkurve komplett auf Drogen war? J
Die rund 800 Gäste ebenfalls gut drauf, wenn auch ohne besonderes Intro.
Immer schön vermummt aufm Zaun am Hüpfen, wenn auch gesanglich kaum
Chancen gegen den Rest des Stadions und mit steigenden Spielverlauf auch abnehmend.
Habe mir in der Halbzeit trotzdem mal den Gästemob näher angeschaut.
Zumindest die untere Hälfte bestand nur aus kaputten und verstrahlten Typen,
so wie es sein muss.... Dazu reger Austausch von Gegenständen aller Art
mit dem Nachbarblock.
Spielerisch war das Dargebotene allerdings von wenig großer Klasse, kaum
Torszenen und immer wieder Unterbrechungen. Geil auch dabei zu sehen, wie völlig
normale Zuschauer (könnten z. B. mein Vater sein) bei einfachen Fouls gegen
ihre Mannschaft oder bei fraglichen Schiedsrichterentscheidungen komplett ausrasten,
und zwar nicht nur vereinzelt sondern zu 80% aller Stadienbesucher! Man hätte
mal sehen sollen, als der Linienrichter kurz vor Ende des Spiels ein Tor für
Aris wegen fraglicher Abseitsstellung nicht gab. Die hätten ihn am liebsten
gelyncht.
Derartiges blieb aber aus, Aris schoss in der Nachspielzeit das einzige Tor
des Tages und kollektives Ausrasten stand auf dem Programm.
Das Stadion leert sich allmählich, wir beobachten die abwandernden Massen,
die Gäste werden mit einer wohl längeren Blocksperre bedacht, verhalten
sich aber vollkommen ruhig. Beim Kellerkind Iraklis war eine Niederlage wohl
insgeheim einkalkuliert, wenngleich Aris ebenfalls im unteren Tabellendrittel
herumgeistert.
Auf den Straßen rund ums Stadion bleibt es, soweit sich dies von uns beurteilen
lässt, ebenfalls ruhig. Zu ruhig für das, was man vorab alles über
den Anhang der Schwarzgelben gelesen hatte. Auch hier wird wohl, wie so oft,
leicht übertrieben.
Dennoch zufrieden mit dem Erlebten ging es langsam wieder zu Fuß auf den
rund einstündigen Weg zum Bahnhof (insgesamt hatten wir an den vergangen
Tagen locker 15-20 km zu Fuß durch diese Stadt zurückgelegt), von
wo um 23:55 Uhr unser Nachtzug nach Athen (29 Euro im Schlafwagen) fahren sollte.
Der eigentliche Zug kam irgendwie nicht, und ein Schaffner gab den Wartenden
irgendwann zu verstehen, am gegenüberliegenden Gleis in den bereitgestellten
Zug zu steigen, da dieser nun nach Athen fahre. Alle Leuten steigen aber nicht
rein, warum weiß ich allerdings nicht. Nochmal vergewissert, ob dies wirklich
der richtige Zug sei, was auch bejaht wurde. Hatten trotzdem die Befürchtung
am nächsten Morgen nicht in Athen auszusteigen sondern irgendwo an der
albanischen Grenze, oder so...
Naja, war dann wohl doch der richtige Zug auch wenn er sinnlos mit eineinhalb
Stunden Verspätung losfuhr, nach kurzer Zeit anhielt und wieder zurück
ins den Bahnhof fuhr um dort wiederum zu stehen. Irgendwann war mir das alles
zu blöd, also eingeschlafen und erst 6 Stunden später, welch Wunder,
tatsächlich kurz vor Athen wieder aufgewacht.