FK Partizan Beograd – FK Crvena Zvezda   2:1

26.04.2014

Stadion Partizana

Super Liga

Zuschauer: 27.000 (ca. 5.000 Gäste)

 

Das 146. ewige Derby in Belgrad frohlockt und daher klingelt mein Wecker bereits um 4 Uhr in der Frühe, wobei ich aufgrund leichter Anspannung auch schon vorher wach lag. Via Dortmund ging's mit Jan und Wizzair in etwa zwei Stunden in die serbische Hauptstadt. Fünf Spieltage vor Saisonende geht die Meisterschaft in die heiße Phase, denn Tabellenführer Roter Stern und Verfolger Partizan liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dahinter kommen dann die vielen kleineren Klubs ohne besonderen sportlichen Stellenwert. Roter Stern bis vor einer Woche noch mit drei Punkten Vorsprung auf Partizan und dann die Überraschung vor ein paar Tagen beim „Englische-Woche-Spieltag“ als Partizan überraschend bei Napredak mit 2:0 patzte und es auf einmal sechs Punkte Vorsprung waren.

Logische Konsequenz? Roter Stern könnte heute mit einem Sieg die Meisterschaft quasi perfekt machen und der Jan, der ja gern an diesem Wochenende den Länderpunkt Serbien einfahren wollte, malte sich schonmal das Worst-Case Szenario aus, was in etwa so aussah: Roter Stern führt früh recht deutlich und Partizan wird wohl kaum Bock drauf haben, den Stadtrivalen im eigenen Stadion zum Meister zu machen. Könnte also ungemütlich werden, aber das sind ja nun alles Hirngespinste und letztlich blieben sie es ja auch.

Kein Hirngespinst war es dann jedoch, dass ich endlich mal wieder in Belgrad rumlief. Es gibt sicherlich schönere Städte aber irgendwie mag ich diese Stadt mit ihrem rauen Charme. Für uns ging's nun zunächst zum Stadion Partizana, wo ich mir hatte zwei Karten zurücklegen lassen. Zwar sollte es generell bei den Derbys in Belgrad möglich sein, noch Karten am Spieltag zu kaufen, aber aufgrund der Tabellenkonstellation und der doch begrenzten Kapazität des Grounds schickte man die Woche zuvor eine Mail an den Verein mit Bitte um Reservierung, welcher man auch nachkam ( im Nachhinein nicht die schlechteste Entscheidung denn Tickets wurden wohl nur noch bis Mittag verkauft und später wars dann auch offiziell wohl ausverkauft).

Die Abholung selbiger verlief nun aber etwas skurril, denn man wurde in den zweiten Stock des Stadions gelotst, wo man auf einem schmalen, engen Flur in ein Büro eintreten musste, wo die Luft vom Zigarrenrauch zum Schneiden war.

In dieser muffigen Atmosphäre saß ein ca. 70-jähriger Kauz Typ „Mafiapate“ im schicken Anzug im Sessel vor dem Schreibtisch, an dem ein recht breit gebauter Typ und eine junge Dame saßen. Im Hintergrund des Älteren ein Schrank in dem eine ganze Reihe an Pokalen stand.

Schwer zu beschreiben irgendwie, aber in jedem Fall eine recht seltsame Szenerie irgendwie. Die Dame druckte uns dann aber wenigstens gegen die Zahlung von jeweils 1.500 Dinar (ca. 12 Euro) zwei Tickets aus und mit einem höflichen "Good luck for tonight!" schlichen wir von dannen.
Die Beschäftigung für den Nachmittag bestand darin, etwas zu wandern! Ja genau, wir sind nämlich zwei so richtige Wandersburschen und so lag eine ca. 6 Kilometer lange Strecke vor uns an deren Ende uns ein Spiel in einem weiteren serbischen Erstligaground belohnen sollte. Der FK 
Cukaricki (wer kennt ich nicht?) ist derzeit sogar Tabellendritter, hat aber natürlich gar keinen Stellenwert in Belgrads Fußballlandschaft und lockt daher auch selten mehr als 400 Zuschauer an. Dennoch für uns eigentlich ein schöner „Appetizer“ fürs abendliche Derby.

Auf dem Weg dahin mussten wir durch einen größeren Park wandern, in dem wir einen netten Grill bzw. Biergarten fanden, in den wir bei doch recht sommerlichem Wetter einkehrten. Der eingangs beschriebenen skurrilen Situation im Partizanstadion folgte hier nun die nächste: als ich den Kellner fragte, ob er englisch spreche, verneinte dieser und mit Händen und Füßen bzw. meinen minimalst vorhandenen Brocken slawischer Sprache  gelang es dann so gerade erstmal zwei Bier zu ordern. Ehe man jetzt auch noch feine Speisen ordern konnte, verschwand der Kellner auch schon wieder und wart eine Weile nicht gesehen.

Nach einiger Zeit kam er dann wieder und ich war bereits innerlich darauf vorbereitet ihm gestenreich in einem Deutsch-Englisch-, Serbischmischmasch klarzumachen, was wir zu Speisen gedachten.
Allerdings begann der Kerl nun, ehe ich auch nur etwas sagen konnte, im fließenden Englisch uns zu erklären, um was es sich bei den unaussprechlichen Buchstabeneinanderreihungen in der Speisekarte handelt. Nach der Bestellungsaufnahme guckten wir uns beide recht verwirrt an und rätseln bis heute, woher er so schnell Englisch gelernt hat oder ob es vielleicht irgendein Zwillingsbruder war. Interessant vielleicht noch, dass der Kerl am Ende wieder kaum Englisch sprach. Sehr suspekt, wenngleich ein super Essen mit zwei halben des leckeren Jelen-Biers für nichtmal zehn Euro pro Nase. So ein Biergarten kann also ganz schön verhängnisvoll werden und so wurde die Zeit, die wir bis zum Anstoß bei 
Cukaricki noch hatten, plötzlich recht knapp. Das Ergebnis war dann natürlich, dass wir (fast) pünktlich um 16 Uhr auf einer Wiese mit zwei Toren standen, auf der heute alles Mögliche stattfinden könnte, aber sicherlich kein Fußballsspiel.

Leicht entnervt fassten wir uns an den Kopf und erblickten plötzlich in ein paar hundert Metern Luftlinie Entfernung vier Flutlichtmasten hinter den Baumwipfeln. Nanu? Wassn das? Also mal hin da und etwas später fand man ein recht passables Stadion mit zwei kleinen Sitzplatztribünen und es fand sogar das von uns anvisierte Spiel statt. Da jetzt aber schon fast ne halbe Stunde rum war und wir von vornherein nicht die vollen 90 Minuten geguckt hätten, war es ja jetzt alles recht sinnlos. Also nur von außen durch einen Maschendrahtzaun wie so zwei Vollasis das Spiel für ein paar Minuten verfolgt und leicht enttäuscht auf den Rückweg gemacht.
Naja, hüllen wir mal dezent das Schweigen über diesen Patzer, keine Ahnung, warum man verwirrt denn falschen Platz ansteuerte. Hatte mir wohl irgendwie ne falsche Adresse rausgesucht und das nicht weiter kontrolliert. Naja, so wird’s wohl nix mit der Groundhopperkarriere…..

Auf die eigene Dummheit dann noch ein Bierchen in einer Outdoorkneipe im Topcider-Park, von wo man einen recht coolen Blick auf Belgrad hatte.
Nun aber weiter zum eigentlichen Grund der Reise.

Es ist  Derbyzeit!! Schon einen Kilometer vorm Stadion hörte man die Böller und erste laute Gesänge und die Vorfreude stieg rapide an.

Der Straßenrand an der Hauptstraße vorm Stadion war von Polizei gesäumt und in rund 200 Metern Entfernung nährte sich gerade ein etwa 200 Mann starker Partizanmob stark bewacht dem Stadion. Die Cops recht nervös und jeder, der sich den Marsch anschauen wollte, wurde eindringlich Richtung Stadion getrieben. Zu Späßen oder zu Diskusionen war hier sicher keiner bereit.

Wir schlenderten nun also auch in Richtung Stadionvorplatz, wobei ich mich noch einmal in Richtung Marsch umdrehte und sah, wie der komplette Haufen ausbrach und in unsere Richtung rannte. Ich rief dem Jan nur noch ein "Komm, lauf!" zu und man erhöhte mal rapide die Schrittfrequenz. 
Klar, der Angriff galt jetzt nicht uns, aber trotzdem wusste man die Situation zunächst nicht einzuordnen bzw. war unklar, wer jetzt hier wen angreift und da Teile der Partizanszene verfeindet sind, wäre auch ein Ding untereinander möglich gewesen und dabei wollten wir jetzt nicht genau zwischen den Fronten stehen.

Jedenfalls griff Partizan recht entschlossen über eine kleine Wiese kommend den Gästeeingang ein und es gab auch wohl direkten Kontakt. Die Cops brauchten ein paar Minuten die Lage in den Griff zu kriegen und ritten mit den Pferden quer durch die Mobs, Bauzäune, Bengalos und sonstiges Zeug flog durch die Luft, Leute rannten herum, ehe sich die Lage beruhigte. Krass! Erstmal durchatmen!

Anschließend mal rein ins Stadion. Schöne, verranzte unüberdachte Balkanschüssel. Beide Kurven pickepackevoll und aus den Außenbereichen klettern noch Leute in die Stimmungszentren. Aber auch bei uns auf der Geraden wird 90 Minuten lang auf den gammligen Sitzschalen gestanden! Geil, nur 1.600 Kilometer von Zuhause aber Lichtjahre weg vom scheiß Arenapublikum und Karneval in Deutschland. This is real football!!
Delije zu Spielbeginn mit einer recht feinen Choreo sowie Rauch in dem Vereinfarben, auf Heimseite hingegen ein schönes Fahnenmeer; Partizan ist ja eher weniger für aufwendige Choreografien bekannt.

Auch heute wurde die Zerstrittenheit innerhalb der Szene optisch deutlich, denn ca. 600 Zabranjeni stellten sich nicht in die Kurve, sondern zogen ihr eigenes Ding am Rand der Osttribüne durch. Zumindest beschoss man sich heute nicht gegenseitig mit Leuchtspur. Stark fand ich den Support auf beiden Seiten, bei Roter Stern (unterstützt von den Freunden von Spartak Moskau sowie Olympiakos Piräus) übrigens mitkoordiniert von einem Gewissen Ivan B. 

Jener "sympathische" Herr dürfte vielleicht noch dem ein oder anderen vom Länderspiel zwischen Italien vs. Serbien in Genua im Jahre 2010 bekannt sein als er mit Sturmhaube aufm Zaun sitzend das Fangnetz durchschnitt, eine albanische Flagge verbrannte und dafür mal drei Jahre in den Bau wanderte. Jetzt ist er seit einiger Zeit wieder da und gehört seit jeher zum engen Führungszirkel der Delije.

Der Spielverlauf war auch ein ziemlich geiler. Roter Stern bekommt in der 25. Minute einen Elfer, welcher schwach geschossen und gehalten wird. Der Jubel auf Seiten Partizans dann schon stark und als quasi im Gegenzug Drincic den Ball aus 30 Metern ins Netz hämmert, explodiert die Südkurve beinahe. Geil!!!!

Damit nicht genug, Roter Stern verschießt einen weiteren Elfer, was von der Heimseite natürlich wieder mit reichlich Tammtamm gefeiert wird. Dann erstmal Pause, nochmal durchatmen.

Die zweite Hälfte wird von den Gästen mit einer riesigen Pyroshow eingeleitet, was einfach ein
hammergeiles Bild abgab und zur Belohnung das Team zum 1:1 einnetzt. Ein Großteil der Zuschauer rechnete
wohl schon mit einer Punkteteilung als in der 89. Minute der Ball vor die Füße des Spielers Kojic kullert und
dieser zum 2:1 Sieg einschiebt.

Ekstase pur nun natürlich auf Heimseite und als wenig später der Schlusspfiff ertönt, feiert der Partizananhang zusammen mit dem Team als wäre man soeben Meister geworden.
Am Ende - so vermute zumindest ich - wird's dann doch RS machen und so nahm es der Anhang auch recht gelassen.
Völlig zufrieden mit dem Erlebten machten wir uns dann auch irgendwann auf den Rückweg, wobei es einige Zeit brauchte, bis man ein Taxi zum Hotel bekam. Hier dann noch ein paar wenige Stunden Schlaf, ehe es am nächsten Morgen früh nach Eindhoven ging (günstige Reisemöglichkeiten waren sonst nicht zu kriegen) und man sich von hier aus noch mit Zügen nach Dortmund bzw. Holzwickede durchschlagen mussten, wo ja der Wagen stand.

Müßig zu erwähnen, dass der Bahnhof in Eindhoven sauber und modern wirkte, freies WLAN im Zug möglich war und hingegen vor allem die kleinen Ruhrpottbahnhöfe in Deutschland gammlig und versifft wirkten, die Bahn durch Inkompetenz glänzte (Anschlusszug fuhr uns vor der Nase weg) und somit auch das SVM Heimspiel am Nachmittag geknickt werden konnte. Fuck!!!
Dennoch: Top Ausflug, Top Derby!!