Groundhopping ist........
auch mal 1400 km an einem Tag zu fahren, um das Spiel zu sehen, das man sehen
will!
Sonntag Morgen, halb 5! Der Wecker klingelt und ich krieche
verschlafen aus dem Bett, um etwa eine Stunde später genau die Strecke
zurückzulegen, die man bereits am Vortag gefahren ist. Meppen-Hamburg,
um genauer zu werden.
"Hööö, warum ist der nicht gleich im Hamburg geblieben?",
wird sich jetzt sicherlich der ein oder andere fragen. Naja, diverse planerische
Gründe ließen es nicht machbar sein, genauere Erklärungen würden
jetzt auch zu weit führen.
Nach angenehmer Fahrt mit kaum Verkehr (wen wunderts?) war
jedenfalls nach zwei Stunden das vorläufige Etappenzielziel erreicht und
ich parkte mein Auto strategisch günstig und gab dem Jan meine Lage durch.
Dieser erschien ebenfalls wenig später und so machten wir uns in seinem
Gefährt daran, die letzten 450 km in die dänische Hauptstadt zu bewältigen.
Die Fahrt verlief völlig unspektakulär, allerdings ist die Brückenüberquerung
über den Storebælt schon ein recht nettes Erlebnis.
Der Kopenhagener Vorort Brøndby wurde auf Anhieb gefunden und wenig später
auch der Wagen vorm Stadion geparkt. Zeit bis zum Anpfiff waren es jetzt noch
gute zweieinhalb Stunden, also genügend Zeit mal die Lage zu prüfen.
Einige Brøndby Trikoträger bereits vor Ort und die Kassenhäuschen
geöffnet. Nach der obligatorischen Stadionrunde musste aber erstmal die
heimische Währung (Dänische Kronen) sowie Speis (belegtes Baguette)
und Trank (Carlsberg 0,5 Liter) besorgt werden, was nach einem leicht wirren
fast einstündigen Fußmarsch auch gelang.
Auf dieser Wanderung bekamen wir auch mehr durch Zufall mit, wie ein rund 300
Mann starker Anhang des FC Kopenhagen am Bahnhof ankam und sich per pedes auf
den Weg zum Stadion machte. Wir setzen und derweil ab und wenig später
kamen uns die ersten Sixpacks mit Blaulicht entgegen gerast, um die Gäste
zum Stadion zu geleiten. Seltsam, warum man diese nicht gleich am Bahnhof empfangen
hat, aber dieses sollte nicht die einzige planlose Aktion der Policija am heutigen
Tage bleiben.
Wir derweil wieder am Stadion angekommen und erstmal Tickets gekauft. Zukünftigen
Nachahmern sei auf jeden Fall empfohlen, sich recht früh am Spieltag um
Tickets zu kümmern, denn so hatte das eine von insgesamt zwei Kassenhäuschen
bereits geschlossen und das andere nur noch Tickets für einen Bereich in
der Ecke des Oberranges zur Verfügung, welche wir also nehmen mussten.
Vor dem Betreten des Grounds galt es allerdings noch, die Ankunft der Zugfahrer
zu beobachten, welche abgeschirmt von Polizeibullis zum Gästebereich geführt
wurden. Dennoch erfolgte bereits hier ein kleiner Angriffsversuch von ca. 50
Brøndby Hools. Aufgrund der Polizeipräsenz blieb es aber lediglich
beim Austausch von einigen Wurfgeschossen und die Brøndby Leute wurden
in Richtung ihrer Kurve getrieben.
Zeit, das Stadion zu betreten.
Von unseren Plätzen hatte man natürlich absolut beschissene Sicht
auf den Heimblock, was heute ein inakzeptabler Zustand war. Aber - und das ist
die nächste komische Sache - ist man erstmal im Stadion, so kann man sich
zumindest entlang der jeweiligen Geraden völlig frei bewegen, da weder
Ordner noch sonstige Wichtigtuer einen daran hindern. So natürlich einen
idealen Platz in Höhe der Mittelinie gewählt und die Eindrücke
aufgesogen. Der Gästebereich füllte sich nach und nach, sodass am
Ende etwa 1.000 Leute dem Gästeteam die Daumen gedrückt haben dürften,
wovon neben den Zugfahrern der Rest mit insgesamt sieben Bussen angereist war.
Während die älteren Semester im Unterrang des Awayblocks Stellung
bezogen, fanden sich im Oberrang fast nur junge Ultras und Supporter, überwiegend
schwarz gekleidet.
Zum Anpfiff dann das Stadion annährend ausverkauft, wobei der Brøndby
Block viele Schwenk- und Tifofahnen, einige Bengalos und ein Spruchband zeigte.
Dazu richtig laute Gesänge und insgesamt eine richtig gut abgehende Kurve.
Note 1.
Optisch hatte der Gästemob ebenfalls etwas zu bieten. Zuerst wurde der
Eckblock mit einer FCK Fahne komplett verhüllt. Anschließend wurde
diese wieder heruntergelassen und mehrere dutzend Bengalos erblickten das Licht
der Welt und fanden zum Teil den Weg gen Spielfeld. Alle Jungs schick vermummt;
anschließend die Blockfahne ein zweites Mal hochgezogen, um sich wieder
zu "enttarnen" und seine Position zu verändern. Gute Taktik,
einer späteren Identifizierung durch Kamera etc. zuvorzukommen. Pyroeinsatz
scheint hier allerdings recht locker gesehen zu werden, da die ganze Show keine
Konsequenzen hatte. In Deutschland wäre natürlich wieder die Presse
durchgedreht und hätte einen Skandal heraufbeschworen, in Foren hätten
schräge Vögel wegen Pyroeinsatz rumgeheult und Stadionverbot für
alle gefordert, die Pro-Pyro sind. Dass es auch anders geht und niemand zu schaden
kommt, konnte man heute eindrucksvoll sehen.
Im weiteren Verlauf sehr geiler Support von beiden Seiten, ich wähnte mich
ein ums andere Mal in Italien (zu Zeiten, in denen es dort noch geil war). Laute,
melodische Gesänge auf beiden Seiten, dazu Fahnen, Doppelhalter, Pyro und
was sonst noch zur lebendigen Fankultur gehört. Auch ist das "normale"
Publikum wesentlich enthusiastischer als man es aus deutschen Gefilden kennt.
Da wird mitgesungen, voller Einsatz gegen den Gegner gesungen, und sich nicht
selten ordentlich die Kante gegeben. Als Zugabe boxten noch 6-7 FCK Lads nur
einige Sitzreihen vor uns ein paar Brøndby Lads um, da diese sich nach
dem 2:1 Führungstreffer und späteren Endstand für die Hausherren
zu weit aus dem Fenster lehnten und provozierten. Schon ein heißer Tanz
das Ganze hier, hätte ich in dieser Intensität nie und nimmer erwartet.
Nach dem Schlusspfiff dieses überaus lohnenswerten Kicks sammelte sich
der Pöbel auf der Straße und es zeigte sich, dass Brøndby
einen ziemlich üblen Mob hat. Viele Alte, von der Statur her "Kante"
sammelten sich, um den Rückmarsch des Zugfahrerhaufens zu "begleiten".
Kein Wunder also, dass sich vor vielen Jahren, als man noch
lose Kontakte zu einigen Schalkern hatte und diese hierhin zu einem Freundschaftskick
begleitete, sich einige meiner Kollegen aus dem SV-Umfeld hier in Schrebergärten
versteckten und die Heimreise ohne Rückscheibe im Bus antreten mussten,
hehe.
Wenig später sah man auch schon die ersten Rennereien in Höhe der
Straßenkreuzung und die Cops zeigten wieder mal, wie planlos und überfordert
sie waren, wobei sie den Gästeanhang sinnlos umhertrieben, ehe dann ein
neuer Versuch unternommen werden konnte, den Bahnhof zu erreichen. Ich denke
mal, dass Brøndby noch einige Male angegriffen hat, ohne genaueres sagen
zu können. Wir hatten jedoch genug gesehen und machten uns auf den immerhin
700 km langen Heimweg. Auf dem Rückweg kam man dann gut durch und war kurz
nach Mitternacht wieder in der Heimat. Ziemlich müde, aber froh diesen
Kick gemacht zu haben, fiel ich ins Bett. In sechs Stunden klingelt schließlich
wieder der Wecker.