SSC Napoli – Atalanta Bergamo 0:2

25.02.2017

Stadio Sao Paolo

Serie A

Zuschauer: 45.800 (ca. 30 Normalo-Gäste auf der Haupttribüne)

 

 

Vom Stadion in Avellino bis zum legendären Stadio Sao Paolo in Napoli sind es bei freier Fahrt etwa 50 Minuten, rund 75 hatten wir.

Also klemme ich mich zum ersten Mal an diesem Tag hinter‘s  Steuer und wir rattern die Autostrada entlang gen Westen.

Bis kurz vor der betreffenden Abfahrt in Neapel kommt man auch ganz flott voran, bis es dann doch immer mehr stockt. Zusätzlich wird der süditalienische Fahrstil deutlich sichtbar, denn im Grunde herrscht Asphalt-Anarchie.

Jeder fährt wie er will, eine zweispurige Straße wird plötzlich vierspurig befahren, Motorroller von links, Motorroller von rechts, im Stau stehend wird sinnfrei gehupt, obwohl doch klar sein müsste, dass es dadurch nicht schneller geht.

Wer nun glaubt, der kleine Italiener kann so gut Auto fahren, dass nix passiert, irrt gewaltig. Vielmehr scheint es vielen  schlichtweg egal zu sein, wir die Karre, in der man sitzt, aussieht, denn locker jedes zweite Auto ist mit Beulen und Schrammen unterwegs.

Hinzu kommen kraterähnliche Schlaglöcher, denn im Süden Italiens kann man generell nicht gerade von einer florierenden Wirtschaft sprechen, was sich dann folglich auch in der Infrastruktur widerspiegelt.

Sei’s drum, Fahrweise anpassen, heißt nun die Devise, denn mit defensiven Verhalten geht man unter und so wird im Kommenden unter dem Motto "survival of the fittest" auch weitgehend ungebremst in Kreuzungen oder Kreisverkehre geballert, die Vorfahrtsregel sehr großzügig ausgelegt.

Alle irre!!!

Nach ein paar Abbiegungen erhob es sich dann aber endlich vor uns - das gewaltige Stadio Sao Paolo. Mitten in dicht bebautes Gebiet gezimmert überstrahlt es hier alles. Statt dieses Gebäude jedoch direkt zu entern sitzen wir noch im Auto auf der verzweifelten Suche nach einer freien Parklücke. Auch hier parkt scheinbar jeder so, wie es grad passt, zuweilen auch in dritter oder vierter Reihe oder der kleine Fiat wird saueng zwischen Straßenschild und (zumeist überquellenden – jaja Napoli und sein Mafia-Müllproblem…) Müllcontainer gequetscht.

Zuschauer, die ebenfalls spät dran sind, wuseln umher und für uns ist definitiv kein Platz mehr. Orr, wie ich sowas hasse. Also weiter durch die kleinen Nebenstraßen gefahren bis sich irgendwann ein gutes Stück abseits des Stadions noch eine einzig verbleibende Parklücke auftat, in die flink hineinmanövriert wurde. Jetzt noch satte 10 Minuten Fußweg, das Spiel hatte längst begonnen.

Karten hatten wir für die Curva A Unterrang, (denn oben stehen die „bösen Jungs“) und wo kommen wir raus? Natürlich Curva B, also nochmal halb ums Stadion rum, um zum richtigen Eingang zu kommen. Die Ordner leicht misstrauisch prüfen unsere personalisierten Tickets unter Abgleich der Persos ganz genau, ein zweiter macht nochmal den „Gefühlstest“, um eine Fälschung sicher ausschließen zu können.

Scheint hier durchaus mal vorzukommen, dass Karten aus dem Farbkopierer auf den Markt wandern. Jetzt noch Treppe hoch und endlich - drin!

Irgendwie cool, doch alles nicht so recht zufriedenstellend. Die erste Halbzeit hat nur noch wenige Minuten zu spielen. Irgendwie unwürdig, diesen Ground so in die Sammlung aufzunehmen, aber gemäß der eigenen Statuten (mindestens eine Halbzeit) so gerade noch regelkonform. Hach, wie scheiße, aber eines Tages werde ich eh hierher zurückkehren. Vielleicht mit dem SV Meppen im Europapokal 2025, ansonsten als Tourist und dann wird sich die Zeit genommen, die Atmosphäre stärker aufzusagen und auch per Fußmarsch bei Tageslicht einen besseren Eindruck über die Stadt und ihre Leute zu bekommen.

Naja, sei es wir es wolle. Heute Spitzenspieler der Serie A, zwischen dem Tabellenzweiten und dem Vierten Atalanta Bergamo, was auch Grund dafür ist, dass das Stadion mit etwa 45.000 Zuschauern überdurchschnittlich gut gefüllt ist.

Das Sao Paolo ist auch von innen eine imposante Schüssel, wenngleich die Aschebahn schon einen gehörigen Abstand zum Rasen schafft und die Sicht aus dem Unterrang generell kacke ist.

Ansonsten scheint auch die letzte Renovierung mindestens aus 1990 zu datieren und sollte sich weiterhin nichts tun, fällt das Teil vermutlich irgendwann im Lauf der nächsten 50 Jahre einfach so in sich zusammen.

Aber geil ist das Ding allemal, zumal auch hier  (in Amsterdam und Avellino war es auch schon so) permanent der Geruch von Gras zwischen unseren Nasenflügeln wabert, was dann auch zusätzlich für das entsprechende Italo-feeling sorgt.

Nun, so ein paar weiche Drogen scheinen hier durchaus notwendig, denn der Championsleague-Teilnehmer spielt sich heute Abend einen ziemlichen Kot zusammen und kommt nicht unverdient mit 2:0 unter die Räder. Lädt jetzt die heimischen Tifosi auch nicht gerade zu krassem Support ein, vielmehr ist das hier äußert durchschnittlich, was Curva A und B hier bieten, wobei ich der letztgenannten zumindest eine passable Unterstützung bescheinigen würde.

Hierzu sei gesagt, dass die Curva A nach der offiziellen Auflösung noch einige Zeit brauchen wird, bis sich dort was Neues bildet. Ansonsten reißt es hier beileibe niemanden von der Sitzschale. Klar, um Napoli und den Verein existiert ein absoluter Mythos. Maradonna, die Camorra, der Vesuv, die legendären Ultragruppen usw, all das sorgt bei Fußballreisenden für ein Funkeln in den Augen und zweifelsohne wird auf den Rängen nach wie vor eine solch starke Mentalita Ultra gelebt, wie man sie in Szenen außerhalb Italiens kaum zu finden vermag.

Da aber dieser Mikrokosmos für Außenstehende weitgehend verschlossen bleibt, sollte man die Erwartungshaltung bei einem Besuch hier nicht zu hoch schrauben, wenn man sich fast ausschließlich auf die Stimmung fokussiert.

Für alle, die sich auch für Dinge begeistern können, die man erst auf den zweiten Blick sieht, ist’s so oder so ein Pflichtbesuch hier.

Nach Abpfiff dann noch kurz verharrt und zufuss (Hurra, es hat aufgehört zu regnen) zurück zum Auto, welches noch da war und das zudem unbeschadet. Also mal weiter!! Castellamare di Stabbia, etwa 35 Kilometer südlich von Napoli direkt am Meer gelegen, hieß unser nächstes Ziel und ganz leise bestand ursprünglich noch die Hoffnung, den Kick um 20:30h zwischen Juve Stabbia und Reggina mitzunehmen, aber schnell war klar, dass das nix wird, denn eine gefühlte Ewigkeit quälte man sich durch den dichten und chaotischen Straßenverkehr der drittgrößten italienischen Stadt, ehe man überhaupt auf die Autobahn gen Süden kam. Keine Chance und so wurden auf dem Weg zu unserer vorab gebuchten Unterkunft nur noch die letzten Spielminuten aus dem fahrenden Auto erspäht, sodass es direkt weiter ging und nach einer leckeren Pizza aus einer sehr traditionell italienischen Familienpizzeria (ältester Sohn am Pizzaofen, alle weiteren Familienmitglieder sitzen im direkt angrenzenden "Wohnzimmer" und gucken natürlich Fußball) und ein, zwei Abschlussbierchen in die Heia. Reicht für heute…