FC Banik Ostrava – FC Kobenhavn     2:2 n. E.

15.08.2024

Mestsky Stadion

Conference League 3. Runde Rückspiel

Zuschauer: 14.458 (ca. 150 Gäste)

 

 

Auch wenn ich mich vielleicht wiederhole, aber die Wochen im Jahr, in denen die Qualifikationsrunden zu den drei europäischen Vereinswettbewerben stattfinden, sind die besten im Jahr.

So werden nämlich Partien wie zum Beispiel Banik Ostrava gegen FC Kopenhagen kreiert. Aus sportlicher Sicht vermutlich eher kein Schmankerl, dafür jedoch fantechnisch und darum geht es ja schließlich.

Zumindest mir. Meistens.

Zwar verfügt die drittgrößte tschechische Stadt über einen internationalen Airport, diese Destination war allerdings für den gewünschten Zeitraum nicht realpreisig verfügbar, sodass es zusammen mit meiner Frau zunächst mit Wizzair von Dortmund nach Katowice ging.

Ostrava und Katowice liegen nur ca. 100 km voneinander entfernt und tatsächlich fährt auch zwei Mal täglich ein Flixbus für einen fairen Kurs vom polnischen Airport direkt nach Ostrava. Einen davon nahmen wir und waren somit etwa gute zwei Stunden später am Ziel.

Einen Tag vor Anpfiff wohlgemerkt, denn wenn man mit der Frau reist, fällt die Option „Hin, Spiel gucken, zurück“ meist weg und etwas Kultur und Sightseeing muss schon sein.

Aber wie unattraktiv kann eine 300.000-Einwohner-Stadt mit ca. 20.000 Studenten denn bitte sein?

Tatsächlich kann man hier in Ostrava erstaunlich wenige Highlights besuchen geschweige denn irgendetwas Besonderes machen.

Durch ihre Bergbaugeschichte kommt die Stadt auch entsprechend „rustikal“ rüber und kann nur partiell mit schöner Architektur punkten. Wenigstens ist das Bier lecker, kalt und günstig und wenn man dann wie heute Abend etwas am Ufer des Flüsschens Ostravice chillt, ist es doch gar nicht mehr so schlimm.  

Irgendwann wurde dann aber auch recht früh der Tag für beendet erklärt, um am Vormittag des Folgetags zunächst das eigentlich einzige Highlight der Stadt zu besichtigen.

Dolni Vitkovice oder auf Deutsch die „Witkowitzer Eisenwerke“ ist ein ehemaliger Industriekomplex der Eisen- und Kohleproduktion.

1998 erloschen hier die Hochöfen nach 126 Jahren Aktivität, aber die gewaltigen Industrieruinen zeugen heute noch von diesem Zeitalter.

Das Gelände kann auf eigene Faust oder mit einem ausschließlich tschechisch sprechenden Guide besichtigt werden.

Der strukturelle Wandel hin zu Konferenz-, Gastronomie und Kulturzentren ist hier in vollem Gange und ein Trip hierher taugt allemal für einen halben Tag, insbesondere für Freunde von Lost Places und morbider Industriekultur.

Am frühen Abend dann aber mal rüber zum Städtischen Stadion, wo es um 19 Uhr zum Rückrundenspiel der 3. Runde der Conference-League kommen sollte.

Kopenhagen hatte in der Vorwoche das Hinspiel 1:0 gewonnen, sodass noch reichlich Spannung in der Luft lag.  Dementsprechend war die Hütte auch weitgehend ausverkauft und das heimische Publikum in freudiger Erwartung, eine Runde weiter zu kommen und dann nur noch zwei PlayOff-Spiele von dem neu gestaltetem Ligensystem entfernt zu sein.

Auffällig die enge Bindung der Anhänger zum Club, denn 95 Prozent der Stadionbesucher tragen weiße Shirts, was dann im Stadion schon ein ziemlich gutes Bild abgibt.

Der Rahmen war wunderbar gesetzt, wozu dann auch rund 150 Dänen im Gästebereich ihr Übriges taten.

Quantitativ hatte ich mir durchaus etwas mehr erhofft, qualitativ war‘s aber voll in Ordnung, da fast ausnahmslos „Szene-Personen“.

So wurde zu Spielbeginn und immer wieder zwischendurch ordentlich Pyro eingesetzt und quasi die gesamte Spielzeit mit markanten Trommelrhythmen und flotten Gesängen durchsupportet. Passt!

Auf Seiten Baniks (Banik bedeutet frei übersetzt ungefähr „Bergmann“) verzichtete man vorerst auf den Einsatz von Pyrotechnik, stattdessen wurde auf der Gegengerade ein grimmig dreinschauender König gezeigt, was so schon ganz geil aussah und just in dem Moment, in dem sich alle fragten, ob es das schon war, gingen Papptafeln hoch, die den Schriftzug „King Banik“ formten, während der Satz „Welcome to the true kingdom“ sowie goldene Glitzerfolien an den Rändern die Aktion formvollendeten. Starkes Ding!

Die Bezeichnung „King Banik“ prägt den Club schon viele Jahre, obgleich die erfolgreichsten Zeiten im Zeitraum von etwa 1970-1990 liegen.

So feierte man drei Mal die Meisterschaft in der Tschechoslowakei, vier Pokalsiege und jeweils ein Mal die tschechische Meisterschaft sowie den Pokalsieg. Liegt allerdings beides schon rund 20 Jahre in der Vergangenheit.

Dennoch kann sich Banik aus fantechnischer Sicht zu Recht als „King“ bezeichnen, denn hier bildete man lange Jahre das Nonplusultra des Landes und hatte nicht zuletzt durch die tiefe Freundschaft zu den schlesischen Brüdern von GKS Katowice auch auf der Straße die Nase bzw. Faust vorne.

Nach meiner bescheidenen höchst subjektiven Einschätzung hat in den letzten Jahren die Szene von Slavia Prag einen gewaltigen Sprung gemacht und Banik evtl. auf Platz 2 verdrängt, dennoch ist das hier für Tschechien ein hohes Niveau. Sehr polnisch angehauchter Stil, hohe Mitmachquote und in der zwoten Halbzeit noch eine ziemlich starke Choreo, die in der Kurve gezeigt wurde.

Abermals wurde der Bezug zur Bergarbeitervergangenheit aufgegriffen, in dem ein grimmig schauender Bergarbeiter mit dem Satz „Club with mining history in the heart of Europe“ gezeigt wurde und das ganze links und rechts mit Bengalos garniert wurde.

Spielerisch hingegen war es die erwartet harte Kost. Banik hatte sich in der 42.  Minute durch Erik Prekop eine Standardsituation einen 1:0 Vorsprung erarbeitet. Ansonsten generierten beide Teams statt Torszenen hauptsächlich Fehlpässe und sonstige Ungenauigkeiten, sodass es in die Verlängerung ging, die ebenfalls torlos blieb.

Im Elfmeterschießen vollbrachten drei Spieler Baniks tatsächlich das Kunststück ihre Schüsse jeweils über das Tor zu schießen und einer wurde vom Torwart noch gehalten, sodass Kopenhagen am Ende als glücklicher Sieger in die PlayOffs einzieht, wenngleich man selbst zwei Elfer verschoss.

Ausgelassene Party zusammen mit Spielern und Fans am Gästesektor, kurze Schockstarre auf Heimseite.

Insgesamt überwog aber offenbar tatsächlich der Stolz, überhaupt bis hierhin gekommen zu sein, sodass es nach dem Spiel augenscheinluch ruhig blieb, sodass jeder zwar enttäuscht aber gelassen den Heimweg antrat.




































Stadtimpressionen