Cardiff City FC – Huddersfield Town FC
21.08.2019
Cardiff City Stadium
Championship
Zuschauer: 21.821 (ca. 250 Gäste)
Am nächsten Morgen wurden
dann die kaum richtig aufgeschlagenen Zelte in Bristol vorerst wieder abgebaut,
denn die walisische Hauptstadt Cardiff war das Ziel.
Diese erreicht man von
Bristol aus bequem in guter Taktung und im Vergleich zu Deutschland preiswert
binnen etwa 50 Minuten; per Bus gehts manchmal noch 2-3 Pfund-Taler
günstiger. Konkret gesagt bezahlten wir 13,20 Pfund pro Person.
Interessant dabei ist
vielleicht, dass das Tarifsystem zwischen sog. Peak-Times und Off-Peak Times
unterscheidet, was bedeutet, dass - wie von uns auch so genutzt- die Tickets
nach 9:30 Uhr und somit nach dem Hauptberufsverkehr bisschen günstiger sind.
Langschläfer und Arbeitsscheue werden so also belohnt. Top! Dass das WLAN im
Zug stabil lief, während dies in Deutschland scheinbar ein unüberwindbares
Hindernis darstellt, braucht kaum extra erwähnt zu werden und schon ist Cardiff
Central erreicht. Stolpert man aus diesem heraus, fällt direkt das monströse
Millenium-Stadion direkt nebenan auf, welches 1999 eröffnet wurde, der
Nationalelf und diversen Rugbyspielen eine Heimat bietet und ja auch
Austragungsort des Championsleaguefinales 2017 war. Wer quasi vom Schlafzimmerfenster
aus auf diesen Ground schauen will, der reserviert ein Zimmer im „Austins
Guesthouse“, welches mit 39 Euro pro Nacht im Doppelzimmer preiswert und
ordentlich daher kommt. Da kann man nicht meckern und macht sich freudig auf
den Weg, einmal Cardiff unter die Lupe zu nehmen.
Fazit: ganz ordentlich, auch wenn mir das gewisse Etwas fehlte, aber ein oder
zwei Tage kann man hier sicherlich mal investieren.
Gegend Abend sollte dann also der Länderpunkt Wales eingefahren werden.
Jaja, ich kenne die elendige Diskussion darüber, ob der Besuch eines
walisischen Vereins, der in der englischen Liga spielt, nun als LP gewertet
werden darf oder eben nicht.
Kann ja jeder zählen wie er will. Der eine zählt vielleicht nur bei Ballberührung
während des Spiels, ein anderer vielleicht nur, wenn er auf der Stadiontoilette
einen stattlichen Haufen gekackt hat.
Kann
jeder machen wir er will - ist mir echt egal, aber wenn ich ein Spiel in den
geografisch-politischen Grenzen eines Landes gesehen habe, ist’s natürlich ein
Länderpunkt! Alles andere gehört ins Reich der Fußballnerds und Freaks.
So, Ende der Diskussion (zumindest bis ich mal ein Spiel in Monaco sehe, hehe!)
Der Cardiff City FC ist ja auch ein Verein, der in der Vergangenheit zum Spielball
geldgieriger Investoren geworden ist und das alles wohl so ziemlich den
Albtraum eines wahren Fans repräsentiert.
Cardiff wurde 2012 vom malaysischen Milliardär Vincent Tan umgekrempelt und
„re-branded“. Aus den traditionellen Vereinsfarben Blau und Weiß wurde Rot (mit
Schwarz), und aus dem einst stolzen „Bluebird“ als Wappentier wurde ein Drache.
Gründe
hierfür sind folgende: Rot bedeutet in Asien die Farbe des Glücks und
Zufriedenheit und ein Drache ist das stärkste Symbol, welches andere Tiere
beherrscht…
Außerdem, so Vincent Tan, könne er den Club in Asien so besser vermarkten und
zu einem Global Player machen, auch Pläne, den Club an die malayische Börse zu
bringen, existierten zu dieser Zeit.
Protest
in der Fanszene regte sich zwar, aber leider nicht in der notwendigen Form und Konsequenz.
Dies hatte folgenden Grund: der Club wurde schon über Jahre fast hoffnungslos
überschuldet, Vorgänger von Tan haben immer wieder investiert, um den Verein
attraktiv zu machen, damit man in die Premier League aufsteigt, um dort die
Schulden abzutragen.
2010 war der absolute Tiefpunkt erreicht; der Verein drohte komplett pleite zu
gehen, hatte mehrere Millionen Steuerschulden und der gesamte Schuldenbetrag
bezifferte sich auf über 90 Mio. Pfund. Ein Gerichtsbeschluss war vorhanden,
den Verein komplett aufzulösen und alles zu verpfänden, was der Verein hatte.
In
diesem Moment kam Vincent Tan an Bord, bezahlte die kurzfristigen
Verbindlichkeiten, tilgten die Steuerschuld und übernahmen den Club, was die
finanzielle Rettung bedeutete.
Aus sportlicher Sicht lief es auch hervorragend, neue Spieler kamen, mit Ex-Celtic
Spieler Malky Mackay ein Trainer/Manager, der es schaffte einen attraktiven,
modernen und auch erfolgreichen Fußball spielen zu lassen, mit dem sich die
Fans von Cardiff identifizieren konnten.
Man zog ins Ligapokalfinale ein, unterlag dort Liverpool erst nach
Elfmeterschießen, nur der Aufstieg in die Premier League wurde mehrmals
hintereinander knapp verpasst.
Genau
hier kam Tans „Re-Branding“, er wolle den Verein neu vermarkten und attraktiv
für den asiatischen Markt machen. Deshalb der Quatsch mit Rot als Farbe und dem
Drachen als Wappen. Im Zuge des „Re-Branding“ wäre ein neues Trainingszentrum hinzugekommen, 100 Mio. Pfund
(allerdings zu 7% Zinsen) in den Verein gepumpt worden und die komplette
Schuldentilgung erfolgt worden.
Nachdem es zunächst massive Unmutsbekenntnisse seitens der Fanszene gab, die
klar ihre Ablehnung gegenüber des „Re-Branding“ bekundeten, zog Vincent Tan
seine Pläne zurück und verkündete, dass er dies akzeptiere aber sein Investment
in den Verein zunächst kürzen werde, um sich anschließend komplett
zurückzuziehen.
Erpressung ist hier sicherlich ein berechtigter Begriff.
Vor
diesem Horror-Szenario, den Verein komplett zu verlieren, entstand ein heftiger
Meinungs-Krieg innerhalb der zuvor geeinten Fanszene in Cardiff, welcher zur
Splittung der gesamten Szene führte; die Einen wollten lieber die Farben
behalten und riskieren ganz nach unten durchgereicht zu werden, die Anderen
setzten darauf, Tan zu behalten, um den sportlichen Erfolg zu haben, den Verein
zu entschulden und dann, so hofften viele, einen anderen Käufer für den Club zu
finden, der dann die traditionellen Farben wieder herstellt.
Die
zweite Fraktion hatte Oberwasser, Tan zog seinen „Re-Brand“ durch, etliche alte
Fans boykottierten seitdem die Spiele, stattdessen kamen viele Eventies ins
Stadion.
Tan selber war es allerdings ein Dorn im Auge, dass die Mehrheit der Fans immer
noch in Blau ins Stadion kam, es gab dann beim einem Heimspiel z. B. kostenlose
rote Schals für die Fans, gepaart mit der Aktion, dass wer einen solchen Schal
trägt und damit vom Clubfotografen fotografiert wird, eine Dauerkarte geschenkt
bekam!!
Die
„neuen roten Fans“ verstanden indes überhaupt nicht, dass es Traditionalisten
gibt, die eine Rückkehr zu Blau und zum alten Wappen als essenziell betrachten,
und dies weit vor den sportlichen Erfolg stellen.
2013
wurde endlich der seit Jahren ersehnte Aufstieg in die Premier-League
klargemacht, als Meister zog man ins Oberhaus ein und spielte jetzt gegen die
ganz Großen: Chelsea, ManUtd, Liverpool, Arsenal, ManCity usw.
Tan
hat es aber trotz des Erfolgs nicht geschafft die komplette Fanszene hinter
sich zu bringen, im Gegenteil: die Gegner dieser „Imagekampagne“ wurden stärker
und organisierten sich: „We’re Cardiff City – we’ll always be BLUE“
lautete das Motto und lang anhaltende Proteste hatten 2015 nach drei Jahren den
gewünschten Effekt, dass die Vereinsfarben wieder traditionell blau gehalten
wurden.
Vincent
Tan ist zwar immer noch Eigentümer des Vereins, der mittlerweile wieder zweitklassig
spielt, an die „rote Revolution“ erinnern aber lediglich die roten Sitzschalen im
Oberrang der Haupttribüne…
Bewegte, zwiegespaltene Geschichte also, aber der Verein verdiente sich heute
allerdings auch den ein oder anderen Sympathiepunkt, denn völlig unerwartet
spielte nach Passieren des Drehkreuzes eine junge Britpop/Punkrock Band einen
kleinen Liveauftritt in den Stadionkatakomben.
Megalaut,
aber ganz cool und als das ziemlich geile „I predict a riot“ von Franz
Ferdinand intoniert wurde, sah ich mich kurz motiviert einen Circle Pit zu
starten, zog es dann aber doch vor, meinen 5 Pfund Fosters (bähhh) Pint zu
leeren und die Tribünen zu betreten.
Typisch
britisch im neumodischen Sinne irgendwie kommt das Cardiff City Stadium daher,
positiv aber in jedem Fall, dass im kompletten Hintertorbereich gestanden wurde
und teilweise auch das Sangesgut gar nicht sooo schlecht war.
Die
hässliche Fette vor uns wäre zwar an einem Fleisch-Pie fast erstickt und ich
sah mich schon diese Frau Flodder wiederbeleben bzw. ihr den Fleischklopps aus
dem Hals fingern, da rutschte das Ding
glücklicherweise doch noch durch die Luftröhre. Puhhh, Glück gehabt- sie und
ich….
Weiterhin lernte meine Frau ein gutes Stück wichtiger englischer Vokabeln
kennen. Wanker, Cunt, Bloody Asshole, Bastard, Scum waren augenscheinlich die
Lieblingsbegriffe des etwa 8-köpfigen Teenager-Pöbels hinter uns. Natürlich
alle in Stone Island und CP Company. Asi im Designerzwirn! So ist’s richtig!!
Willkommen auf der britischen Insel!!
Zum Spiel gibt es ansonsten nicht viel zu sagen. Nicht sonderlich ansehnlich,
der vielleicht 250 Mann starke Anhang aus Huddersfield war nur nach dem Tor
kurz zu hören und nach Abpfiff ging es unterbrochen durch einen kurzen Stopp
beim Inder-Kiosk zwecks Länderpunktbierbeschaffung zurück in die Unterkunft.
Am nächsten Tag dann wieder via Bristol zurück nach Hause.
Fazit: Schöner Kurztrip! Ich mag die Insel immer noch sehr und komme auch nach dem Brexit gerne wieder - mit oder ohne Visum ;-)