SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12 – Erler SV II.  3:2

19.07.2020

Testspiel

Südstadion am Haidekamp

Zuschauer: ca. 140

 

 

„Wir fahren hier seit einiger Zeit durch Gelsenkirchen und ich habe noch nicht EINE schöne Ecke gesehen“ entfährt es mir, während ich den Wagen durch die vom Leerstand, Graffitischmierereien und Sanierungsstau gezeichneten Straßen der Stadt lenke.
„Die gibt es hier auch nicht“, entgegnet Dennis. Damit ist wohl alles gesagt, auch wenn der Blick unseres Bochumer Top-Lads vielleicht nicht zu 100 Prozent objektiv sein mag. ranzig oder besser gesagt „strukturschwach“ ist es hier allemal...
Aber es hat natürlich irgendwie auch Charme und niemals vergessen werden sollte, dass die gesamte Region einen immens wichtigen Beitrag zum heutigen nationalen Wohlstand beigetragen hat und dabei selbst irgendwie an vielen Stellen nach dem Ende des Kohleabbaus irgendwo abgehängt wurde.

Sei es drum, wir sind zum Fußballgucken hier und stehen soeben vorm Einlass des Südstadions, wo sich dich tatsächlich eine kleine Schlange bildet, denn Rückverfolgbarkeit ist das Stichwort, wobei wir auch schon beim Thema Hygienekonzept beim Fußball wären. Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen Spiele mit maximal 300 Zuschauern erlaubt, was viele Vereine unterhalb der Regionalliga auch bei Ligaspielen vor Corona nicht erreichten.

Entwickelt sich ein Spiel also nicht unerwartet zu einem „Groundhopperhotspot“ sollte ein Besuch  kein Problem sein. Eine Liste, in die man sich mit Name und Telefonnummer einträgt und ein vereinsamter Desinfektionssprayspender sind dann aber auch schon alles, was man an „Hürden“ überwinden muss.
Ob es dabei sinnig ist, dass wie bei diesem Kick rund 130 Leute den selben Kugelschreiber in die Hand nehmen, um sich dann mit Namen wie Wayne Interessierts oder Gayson Stanley in die Liste einzutragen, mag jeder selbst für dich beurteilen.
Erfreuen wir uns lieber am Ground, denn dieser ist in den Augen eines Liebhabers alter Stadien eine echte Granate. Im Jahre 1966 erbaut, verbuchte das Südstadion seinen Zuschauerrekord  ein Jahr später als beim Regionalligaspiel gegen den VfL Bochum 17.000 Zuschauer zugegen waren. Die damaliger Gastgeber hieß zwar auch Eintracht Gelsenkirchen (Gründungsjahr 1930), hat aber mit dem heutigen Verein nichts zu tun, denn 1973 fusionierte man mit dem STV Horst-Emscher zum STV Eintracht Gelsenkirchen Horst. Wegen mangelnder Akzeptanz und vermutlich, weil niemand einen Verein möchte, der Horst heißt, wurde die Fusion fünf Jahre später wieder rückgängig gemacht bzw. in diesem Zuge die „echte“ Eintracht aus dem Vereinsregister gelöscht.
Der heute besuchte Verein ist hingegen noch vergleichsweise jung, denn 1997 nahm der SV Fortuna Gelsenkirchen den Namen Eintracht Gelsenkirchen an, sah sich dabei in der Tradition der alten Eintracht, ohne es wirklich zu sein.

20 Jahre später kam es dann zu einer Fusion mit den Sportfreunden Gelsenkirchen zur eben heutigen SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12.

Turbulente Geschichte also und auch 17.000 Zuschauer werden hier wohl nie wieder Platz finden, denn ein Großteil des Stadions ist dem Verfall preisgegeben. Die Stehränge sind brüchig, vom Unkraut vereinnahmt und neben den zahlreich anwesenden Groundhoppern (nahezu die komplette Meute war auch beim Spiel zuvor) hätte es mich nicht gewundert, wenn der ein oder andere Botaniker zwischen dem zahlreichen wuchernden Gestrüpp umhergewimmelt wäre.
Das ganze Ambiente  wird durch die schöne überdachte Tribüne abgerundet, auf der rund 1.600 Zuschauer auf blauen Holzbänken Platz nehmen.
Das halbwegs torreiche Spiel verging daher mit Begutachtung des gesamten Areals und Gelaber mit der Reisegruppe wie im Flug und zur besten Sendezeit war man rund 100 Minuten nach Abpfiff auch wieder zuhause.
Feiner Ausflug mit zwei absolut lohnenswerten neuen Grounds.