Everton FC – Brighton & Hove Albion FC 1:1

04.11.2023

Goodison Park

Premier League

Zuschauer: 38.683 (ca. 3.500 Gäste)

 

 

 

Nil satis nisi optimum.

So steht es im Wappen des Everton Football Club. Lateinische Weisheiten in Vereinswappen finde ich grundsätzlich mega-geil. Frei übersetzt heißt es „Nur das Beste ist genug“.

Vom Superlativ waren wir heute allerdings weit entfernt. Aber der Reihe nach.

Der kurze Inseltrip startete am frühen Samstagmorgen, der bereits hier unnötige Hektik erfuhr, da ich meinen Autoschlüssel nicht fand, obwohl der Gerrit bereits seit einigen Minuten am Treffpunkt auf Abholung wartete. Wie ein Geisterkranker wuselte ich der Verzweiflung nahe durchs Haus, schreckte Frau und Katze aus wohligen Träumen auf und zog den Hass beider auf mich, um nach 15 Minuten Suche festzustellen, dass ich den Schlüssel die ganze Zeit am Leib trage. In den Taschen meinen Pullis, um genau zu sein. Ach herrje, ich werde alt. Nun aber mal los. Schnell weg hier, der Haussegen hängt schiefer als schief.

Die Fahrt nach Amsterdam zum Airport verlief wie immer easy, hier war ich ja vor ein paar Wochen erst mit der Gattin, man kennt sich also aus. Sowieso mag ich diesen Airport irgendwie, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass man über ein modernes Scannersystem verfügt, sodass zum Beispiel die Wasserflasche mit an Bord genommen werden darf. Gibt’s sowas in Deutschland auch? Nee, oder?

Weniger sehr mag ich die Airline Easyjet, denn diese hob heute mit etwa 1,5 Stunden Verspätung ab. So war der zeitliche Puffer schon bereits vor Abflug dahin und ich stand erneut am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Während Gerrit dies in seiner stoischen Ruhe alles nicht zu tangieren scheint, möchte ich am liebsten alles kurz und klein schlagen. Jeder, der es gut mit mir meint, sagt mir, dass ich mich nicht über Dinge aufregen soll, die ich nicht beeinflussen kann, aber was ist das für eine Scheiße hier?

Flightradar24 sei dank kann ich nachvollziehen, dass diese Maschine morgens irgendwie in Belfast war und von dort bereits verspätet abflog. Warum? Ich weiß es nicht!

Das ist alles dermaßen knapp getaktet und auf Kante genäht, da darf kaum etwas dazwischen kommen. Kommt es aber bei dem mittlerweile wieder europaweit starkem Flugaufkommen viel zu oft und schon ist der Zeitplan im Eimer.

Irgendwann geht’s dann aber los den kurzen Weg über den Ärmelkanal gen John-Lennon-Airport in Liverpool. Noch schaffen wir den Anpfiff um 15 Uhr pünktlich, wenn alles halbwegs fix geht und wir statt den anvisierten Bus (günstig!) stattdessen das Taxi (teuer!) zum Ground nehmen. Aber die Scheiße ging direkt nach Landung weiter. Der Bus, der die Passagiere zum Terminal bringen soll, steht zwar bereit, aber irgendwie ist keine Treppe zu Hand. Wie bitte? Euer Ernst?

So vergehen wieder 15 Minuten, die wir eigentlich nicht haben. Passkontrolle dann halbwegs schnell, wenngleich noch optimierungsfähig. Schnell, schnell, wo sind hier die Taxen?

Ja, wo sind die denn? Hatte ich irgendwie das Bild einer langen Taxischlange im Kopf, wo man freie Auswahl hat und einfach einsteigen muss, so holt mich der Airport Liverpool schnell auf den Boden der harten und regnerisch-kalten Tatsachen zurück.  

Kein Taxi weit und breit, stattdessen stellt man sich außerhalb des Terminals artig als 10. oder 12. Person in die Schlange der Wartenden. Das Prinzip ist nämlich so: in unregelmäßigen Abständen fährt hier ein Taxi vor und man springt der Reihe nach rein. Vordrängeln ist in England in etwa so beliebt und üblich wie der Christopher-Street-Day im afghanischen Kabul und so wartet man brav, bis man an der Reihe ist. Auch hier ist eine halbe Stunde weg und der Anpfiff wird nun ohne uns stattfinden.

Als man dann endlich in der Kutsche sitzt und „Goodison Park, Everton FC“ als Fahrtziel ausruft, sollte der Fahrer eigentlich 1:1 zusammenrechnen können und wissen, dass wir a) zum dortigen Spiel wollen und 2) wenn die englandtypische Anstoßzeit auch hier gilt (tut sie!!), wir dezent in Eile sind und es geboten wäre, den Fahrstil von gemächlich auf rasant zu ändern.

Naja, eine knappe halbe Stunde dauert es also auch hier bis man am Stadion rausgeschmissen wird und 30 Pfund ärmer ist. Hilft ja nix, jetzt aber schnell rein in die Hütte. Wo geht’s denn lang? Hier? Ok! Die Ordner sind freundlich und öffnen den beiden Nachzüglern aus Germany die bereits verschlossenen Tore. Während es Gerrit in den Unterrang des Gwaladys Stand zieht, entere ich den Gästeblock am Rande des Bullens Stand, betrete auf dem unkonventionellen Weg dorthin sogar kurz den Rasen, so dermaßen eng ist das hier verbaut und so dermaßen nah ist man hier am Geschehen. Sehr, sehr geil. Ich bin drin und die Atmosphäre packt mich sofort.

Die Tage des 1892 eröffneten Goodison Parks sind leider gezählt, denn spätestens zur Rückrunde der nächsten Spielzeit möchte man in das neue Everton-Stadion umziehen. Dieses befindet sich derzeit im weit fortgeschrittenen Bau und wird zeitnah recht zentral gelegen direkt am Ufer des Mersey-River seine Fertigstellung erfahren und von da an 52.888 Zusehern Platz bieten.

Gewagtes Unterfangen, denn wenn es wirklich ganz, ganz dumm läuft, findet sich Liverpools zweite Kraft (aber ältester Verein) in der kommenden Spielzeit in Liga Zwei wieder.

Rein sportlich hat man zwar ein bisschen Polster zu den Abstiegsplätzen, allerdings schwebt noch ein evtl. in Frage kommender Punktabzug in Höhe von sage und schreibe zwölf Punkten über dem Verein, denn man sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, in den vergangenen drei Jahren Verluste in Höhe von gut 300 Millionen Pfund eingefahren zu haben, obgleich nur 105 Millionen erlaubt gewesen wären. Offenbar wird der Fall gerade vor einer unabhängigen Kommission verhandelt, eine Entscheidung soll bis Ende des Jahres fallen.

All das tut dem Zuschauerzuspruch keinen Abbruch; die Ligaspiele sind weitgehend ausverkauft und wer dieses wunderschöne Stadion noch vor seinem Abriss besuchen will, der muss sich etwas bemühen. Ein General Sale kommt kaum zustande und so braucht es jemanden, der hier Mitglied ist oder zumindest eine Art „booking history“ besitzt. Diese „Jemands“ waren dank gängiger Facebook-Gruppen schnell gefunden und zwei Tickets in digitaler Form auf unseren Smartphones.

Der Goodison Park ist ein wunderschönes deutlich in die Jahre gekommenes englisches Fußballstadion. Ein Traum und absoluter Blickfang ist der dreigeschossige Main Stand mit den charakteristischen weißen Stützen, aber im Grunde ist jede Ecke dieses Stadions einfach nur schön und die kompakte Bauweise macht zu einem Ground mit viel eigenem Charakter.

Im Grunde ist es auch hier ein Verbrechen am kulturellen Erbe der Menschheit, dieses Ding einfach abzureißen und stattdessen  Immobilien hierhin zu bauen.

Aber mich fragt ja keiner und so genieße ich die Atmosphäre. Ich kann es gar nicht genau sagen, was mich so packte, denn die Stimmung im eigentlichen Sinne war wie so oft auf der Insel nichts Dolles. Von den Anhängern der „Toffies“ hörte ich kaum etwas und auch bei mir im Gästeblock ging es unter den zahlreichen Anhängern der „Seagulls“ eher gesittet zu. Dennoch war es eine Wohltat, mal wieder weg vom Ultra-Dauersingsang spielbezogene Atmo aufzusaugen und zugegeben kam das lautstarke „Aaaaaalbioooooon, Aaaaalbioooooon!“ in Kombination mit ausgetreckten Armen schon geil. Leider halt wie zu selten und viel zu kurz.

Nichtsdestotrotz war es ein schönes Stadionerlebnis; da war sich auch Gerrit mit mir einig, den ich nach Spielende im Gewusel und Nieselregen am Treffpunkt wieder traf und mich zusammen mit ihm nach etwas Warterei im pickepackevollen Stadtbus für 2,-€ ins Zentrum begab. Hier wurde noch ein Wetherspoon gestürmt, da allmählich der Magen knurrte und die Kehle dürstete, ehe es wenig später mit dem Bus für je 4,40 Pfund die eine Stunde Fahrzeit gen Manchester-Airport ging, wo man sich im örtlichen Ibis einnistete, da es von hier am nächsten Mittag wieder heimwärts gehen sollte.

Auch hier klappte bei der Super-Airline Easyjet nichts so richtig und fix waren knappe zwei Stunden Verspätung drin. Zu allem Überfluss saß man noch eine knappe Stunde im vollen Flieger rum, weil man nun den Lande-Slot in Amsterdam verloren hatte. Kinder, Kinder!

Letztlich war man dann wesentlich später wieder zu Hause als geplant, aber immer noch zu früh, um Flugastrechte für sich geltend machen zu können.

Ach, irgendwie auch völlig egal. Was rege ich mich über Dinge auf, die ich nicht in der Hand habe? Goodison-Park, Haken dran!