Hannoverscher SV 96 – Braunschweiger TSV Eintracht 0:0

08.11.2013

Niedersachsenstadion

1. Bundesliga

47.200 (ca. 4.000)

Nachdem der Aufstieg der Braunschweiger Eintracht im Sommer feststand, war klar, dass das Derby ein Pflichttermin sein wird. Immerhin trafen beiden Clubs vor zehn Jahren zuletzt aufeinander, das letzte Duell in der ersten Liga liegt bereits ganze 36 Jahre zurück.

Ein Großteil der heutigen Besucher dürfte dabei allerdings allenfalls in flüssiger Form existent dabei gewesen sein.
Tja, Hannover und Braunschweig. Das ist nicht nur ein Derby zwischen zwei geografisch nah zueinander liegenden Vereinen, sondern beide Städte verbindet historisch eine tiefe gegenseitige Abneigung.
Das Derby warf bereits Tage zuvor seine Schatten voraus, sei es durch aufgestellte Holzkreuze entlang der Autobahn oder durch ein umherlaufendes Schwein mit Hannover-Schal. Zudem wohnten beide Szenen dem Training ihrer Mannschaften mit mehreren hundert Leuten bei, um auch dem dümmsten Spieler die Bedeutung des Spieles klarzumachen. Die Medien griffen natürlich alles gründlich auf, taten empört und pushten die Brisanz dementsprechend.
Aber wie auch immer gilt auch hier. Die Wahrheit liegt aufm Platz bzw. auf der Straße. Heute ist Matchday und alles Vorabgeplänkel rückt in den Hintergrund. Derbytime, Leute!!

Ich machte mich direkt nach der Arbeit auf den Weg in die Landeshauptstadt und bereits kurz hinter Osnabrück traf man auf zahlreiche Polizeibullis mit Ziel Hannover. Ich glaube, der gesamte Polizeiapparat Niedersachsens war heute damit beauftragt, für einen friedlichen Derbyablauf zu Sorgen.
Dementsprechend sah ich auch kurz vor den Stadtoren Hannovers auch schon den Polizeihubschrauber kreisen. Den Wagen strategisch günstig zwischen Innenstadt und Stadion geparkt, latschte ich zunächst in die Fußgängerzone, um dort einen Döner zu verspeisen. Hier schon viele kleine Grüppchen unterwegs, Polizeipräsenz ebenfalls, wenn auch nicht übertrieben hoch. Von Braunschweiger Fans erwartungsgemäß nichts zu sehen. Stattdessen bekam ich plötzlich über irgendwelche digitalen Wege die Rund-Sms der Hannoveraner Ultraszene aufs Handy. Nanu, das ging ja fix. Scheint wohl einige sehr löchrige Stellen in Reihen der Roten zu geben.
Die gesamte Hannoveraner Szene sammelte sich jedenfalls in der Altstadt bzw. an der angrenzenden Markthalle und auf Kommando setzte sich gute zwei Stunden vor Spielbeginn ein ca. 1.500 Mann starker Haufen in Richtung Stadion in Bewegung. Begleitet von zahlreichen Polenböllern, Leuchtspurgeschossen in den Abendhimmel und Bengalos zog der Corteo durch die Straßen und am Ground angekommen, versuchten rund 100 Vermummte direkt den Eingang zu stürmen, was aber von den Cops und Ordnern verhindert werden konnte.

Ansonsten sehr aggressive Grundstimmung, Kamerateams wurden angegangen, alles lief durcheinander und insgesamt sehr unübersichtlich, wobei der gewaltsuchende Teil der Hannoveraner dabei nicht ganz genau zu wissen schien wie man jetzt agieren sollte. An den Gästebereich jedenfalls kein Herankommen möglich, da alles bewacht wie Alkatraz.

Auch Prof. Dr. Dr. Pilz, bekannter Fanforscher aus Funk und Fernsehen lungerte hier inmitten des Trubels herum und analysierte wohl alles aus empirischer Sichtweise.
ZU Spielbeginn schuf Hannovers Nordkurve einen würdigen Rahmen, indem durch Fahnen in den Vereinsfarben zunächst die komplette Tribüne gefärbt wurde und anschließend mehrere Blockfahnen, die einen Teil der Vereins- bzw. Derbygeschichte erzählten, ebenfalls die gesamte Nord einhüllten. Top Choreografie, da gibts nix zu meckern! Absolut derbywürdig.

Als dann die Blockfahnen wieder heruntergelassen wurden, standen alle Besucher der Unterrangs in grünen „Leibchen“ dort, während die Zuschauer im Oberrang in der einen Hälfte Weiß trugen und in der anderen Schwarz. Sah ebenfalls top aus und erinnerte mich irgendwie an Legia Warszawa; kein Plan, warum.
Braunschweigs Ultraszene, die komplett in Schwarz daherkam und ebenfalls bei der Anreise und Ankunft am Stadion Aktion verbreitete, hantierte hingegen ordentlich mit Pyrotechnik herum. Übers Spiel braucht man kaum zu reden. Hannovers Truppe schien nicht verstanden zu haben, was in solch einem Spiel von ihr erwartet wird, spielte zwar einige Torchancen heraus, aber immer flog der Ball entweder übers Tor, daneben oder blieb in der vielbeinigen blaugelben Abwehr hängen.

Braunschweig hingegen sehr defensiv und auf Konter lauernd, ebenso aber auch mit der richtigen leidenschaftlichen Einstellung, was dann also mit einem Punkt belohnt wurde. Dennoch – so zumindest meine bescheidene Einschätzung – wird es ganz schwer mit dem Klassenerhalt. Offensiv geht ja wirklich mal gar nichts.
Zurück auf die Ränge. Hannovers Szene überraschte dadurch, dass weite Teile des Oberranges der Nordkurve das Spiel mit heruntergezogenen Sturmhauben schaute und ständig Pyrotechnik verwendet wurde. Gab wohl keine zehn Minuten am Stück, in denen es nicht brannte. Zwar bis auf eine Ausnahme nie die große Pyroorgie, sondern fast immer nur 4-5 Fackeln gleichzeitig, dennoch dürfte Herr Kind natürlich völlig ausgerastet sein.

Definitiv aber ist Hannovers Ultraszene die deutsche Szene, die am meisten auf das ganze Anti-Pyro-Gequatsche scheißt und beharrlich nach Lust und Laune zündelt. Die paar Male, in denen ich Hannover in den letzten Jahren beobachtet habe, hats eigentlich immer gebrannt, egal ob Liga, Pokal oder International.
Auch Braunschweig ließ den Gästeblock in der zweiten Hälfte nochmals erleuchten, eher allerdings darum, eine gezogene Hannover Fahne den Flammen zu opfern, wobei Hannover gleichzeitig ein paar kleinere Braunschweig-Fahnen verbrannte. Ob man nun mit Leuchtspur auf den Platz ballern muss oder gar gezielt auf Spieler abzielt ( Hannover) kann dabei sicherlich in Frage gestellt werden. Im Grunde aber alles,  was ein Derby so mit sich bringt.

Einziges Manko vielleicht noch, dass Hannovers Nord supporttechnisch oft für die Bedeutsamkeit des Spiels hinter den Erwartungen blieb. Die Ultras waren bemüht, aber die Außenbereiche geschweige denn die übrigen Tribünen konnten nur wenige Male mitgezogen werden. Mag zwar zum Teil auch am Spiel gelegen haben, aber bei solch einem Kick müssen die Tribünen eigentlich beben, jeder muss alles geben. Der Supportpunkt geht somit eher an Braunschweig. Hier dann doch gute Dezibelzahlen zu verzeichnen und besonders das von nahezu fast allen getragene "….in den Farben blau und gelb...." ging gut durch.
Nach dem Spiel machte ich mich schnell vom Acker, denn 2,5 Stunden Heimweg standen an und ohnehin merkte ich, dass sich eine Erkältung anbahnt (die mich dann übrigens aktuell recht arg plagt) und ich somit keine Lust auf weitere Expeditionen hatte. In der Innenstadt ging's wohl noch bis weit nach Mitternacht etwas zwischen Hannover und hauptsächlich den Cops rund aber da war man selbst schon irgendwo auf der Autobahn gen Emsland.

Fazit: sicherlich seit langer Zeit das beste Derby in Deutschland, was aber nach der langen Abstinenz Braunschweigs auch nicht vorwundert. Betrachtet man die Begleitumstände , kann sicherlich mit jedem Derby in Europa konkurriert werden, wobei supporttechnisch oder auf den Fanatismus bezogen die gesehenen Derbys in Belgrad, Thessaloniki oder auch Rom noch ne andere Hausnummer sind.