KAC Kenitra – FAR Rabat 0:0
29.03.2013
Stade Municipal de Kenitra
Botola I
Zuschauer: 15.000 (ca. 4.000)
Auftakt einer kleinen
Tour nach Marokko und ich beginne diesen Bericht, in dem es eigentlich eine
Menge zu verarbeiten gilt, ich aber dennoch nur einen Bruchteil aller
gewonnenen Eindrücke wiedergeben kann, mit der Frage „Wo fange ich an?“
Naja, warum nicht mit
der Planungsphase?
Als ich Jan Ende 2012 fragte, ob er über Ostern Bock auf Marokko habe,
sagte dieser ohne zu zögern zu. Als dann meine Freundin Wind davon bekam,
bekundete auch sie spontanes Interesse und als Jans Freundin Anne davon erfuhr,
dass meine Freundin Interesse hatte, bekundete auch sie Interesse :-)
So wurde also aus einer
"krassen" Hoppingtour eine eher gemäßigtere Variante mit weniger
Grounds und mehr Kultur.
Stellte sich jetzt nur noch die Frage nach der Anreise. Nach einigem Suchen bot
wieder mal Rainer aus Irland die günstigste (naja, 170 Euro hin und zurück)
Variante. Donnerstagabend hin, Dienstagabend zurück, das passt. Jetzt muss nur
noch der Spielplangott ein guter Gott sein.
Apropos Spielpläne Marokko. Wer weit im Voraus einen Flug buchen will, um ein
ganz bestimmtes Spiel zu sehen, kann das gleich vergessen. Seit Ende Dezember
habe ich die Spielpläne regelmäßig beobachtet und der endgültige, der dann für
unseren Anwesenheitszeitraum galt, war glaube ich die fünfte Version. Eine Woche
vor Abreise wurde nochmal alles um eine Woche nach hinten geschoben, zudem werden
sinnlos irgendwelche Spiele verschoben und um das Ganze noch zu toppen, finden
sich oft drei unterschiedliche Rahmenspielplane im Netz.
Soccerway. com hat sich
hierbei noch als aktuellste und somit zuverlässigste Quelle erwiesen.
Letztendlich werden die Spiele immer erst in der Woche vor dem eigentlichen
Spieltag fix angesetzt, manchmal schon am Montag, manchmal aber auch erst
Donnerstags, wobei Freitag dann auch schon gespielt wird. Chaos pur also. Soll
ja Hopper geben, die das Casablanca-Derby erst im dritten oder vierten Anlauf gemacht
haben.
Nun denn. Uns war der Spielplangott diesmal leider nicht so hold, denn ein Teil
der anvisierten Spiele wurde total beschissen gelegt. Die angedachten
Heimspiele von Fes und Rabat auf Dienstag bzw. Mittwoch nach Ostern, also somit
zeitlich nicht machbar. Somit schon gut am heimischen PC abrandaliert, aber
warum reg ich mich über Sachen auf, die ich nicht ändern kann?
Wenigstens wurde das
Nachholspiel Kenitra gegen FAR Rabat auf Freitagabend gelegt, damit also
perfektes Spiel für Länderpunkt Marokko.
Somit holte der Jan meine Freundin und mich am Mittwochvormittag um 10 Uhr ab,
um zum Flughafen Frankfurt Hahn zu gelangen. Jans Partnerin Anne wurde noch in
Cologne eingesammelt und knapp 2 Stunden später war auch ein jeder von uns zum
ersten Mal am Flugplatz Hahn. Gefällt mir hier ganz gut, zumal man noch für
halbwegs faire Preise parken kann; aber grundsätzlich eh versuchen sollte in
dem direkt am Flughafen angrenzenden Dörfchen
Lautzenhausen einen der vielen privat vermieteten Parkplätze zu
ergattern, die dort für 2-3 Euro pro Tag angeboten werden. So taten es dann
auch wir und nach kurzem Fußmarsch steht man auch schon im Terminal.
Der proppenvolle Flieger hob fast pünktlich ab und nach guten drei Stunden
Flug, die übrigens gar nicht so schrecklich langweilig und eng waren wie
erwartet, betraten Dreiviertel unserer Reisegruppe zum ersten Mal afrikanischen
Boden (lediglich Jan war hier schonmal
vor zig Jahren zu einer kleinen Wüstentour).
Die Abfertigung am Zoll dauerte vielleicht so 20 Minütchen, da zunächst jeder
Reisende einen Wisch ausfüllen musste (Woher? Name? Beruf? Grund der Reise
usw.), ansonsten aber kurzer Blick in den Pass, paar Zeilen eingetippt, Stempel
rein und fertig. Eher unspektakulär. Mit dem Taxi ging's dann die rund 15
Kilometer vom Flughafen in die Altstadt von Fes. Diese Stadt ist neben Rabat,
Marrakesch und Meknes eine der vier sogenannten Königsstädte und Fes selbst ist
quasi eine dreigeteilte Stadt. Unser vorerst anvisiertes Ziel heißt Fes el
Bali, was sowas wie die Altstadt (Medina) darstellt. Eben diese Medina ist
UNESCO Weltkulturerbe und zugleich die größte erhaltene der Welt. Ein Gewirr
aus kleinen Gassen, in denen zahllose Händler ihre Waren anbieten und in denen
man sich ohne weiteres verlaufen kann, da es schlichtweg ein Labyrinth
ist. Die zwei weiteren Stadtteile heißen Fes el Djedid, was der neuere
Stadtteil ist (erbaut im 13. Jahrhundert, also jetzt nicht ganz sooo neu, aber
im Vergleich zur Medina aus dem 8. Jahrhundert dann schon) und Ville Nouvelle,
welches erst seit knapp 100 Jahren existiert und eher das moderne
Geschäftsviertel ist.
Naja, wir fraßen allerdings heute nichts mehr aus, sondern bezogen nach einem
auf der Dachterrasse getrunkenen „The a la menthe“ (sehr wohlschmeckender
Minztee und Nationalgetränk Marokkos) unsere jeweiligen im traditionell marokkanischem
Stil eingerichtete Zimmer und schliefen irgendwann den Schlaf der Gerechten.
Nach geruhsamer Nacht und einem üppigen Frühstück hieß es allerdings auch schon
wieder, alle sieben Sachen zusammenzupacken und zum Gare de Fes, also dem
örtlichen Bahnhof, zu fahren, denn die Stadt Kenitra nördlich der Hauptstadt
Rabat hieß unser Ziel.
Zugfahrten in Marokko ist recht günstig und so schlug die 2:16 Stunden dauernde
Bahnfahrt mit lediglich 100 Dirham (10
Dirham= knapp 1Euro) zu Buche. Wohlgemerkt erste Klasse, denn die zweite wäre
auch nur knapp 3 Euro günstiger gekommen, ist aber generell eher überfüllt.
So hatte man wenigstens
ein geiles Sechserabteil für sich alleine und konnte aus dem Fenster glotzen.
Hier waren dann recht viele Eindrücke zu verarbeiten. Die Außenbezirke von Fes
kommen dann doch eher ärmlich rüber, teilweise gar slumähnlich. Auch auf der
weiteren Fahrt fiel auf, dass zahlreiche Menschen außerhalb der Städte noch von
einfacher Landwirtschaft bzw. Viehhaltung leben. Immer wieder hütete einer
seine 15 Schafe oder 5 Rinder in der unerwartet grün wirkenden Landschaft. Hin
und wieder steht auch mal jemand scheinbar völlig sinnlos in der Landschaft,
ohne dass weit und breit eine Behausung zu erkennen wäre.
Nach gut zwei Stunden dann Kenitra erreicht, wirkte diese Stadt trotz oder
vielleicht auch wegen seiner immerhin rund 400.000 Einwohner eher beschaulich.
Gar nicht so einfach war es hier vorab eine Unterkunft zu finden. Die gängigen
Portale im Netz verweisen einen direkt auf die nur 30 Kilometer entfernte
Hauptstadt Rabat, wohin man im Notfall auch hätte ausweichen können. Aber mit
ein wenig Suchen fand man dann doch noch was in entsprechender Preisklasse.
Hotel Ambassy offeriert
das Doppelzimmer für 50 Euro, was vermutlich immer noch überteuert ist, aber
generell haben Hotels in Marokko preislich ohne weiteres westeuropäisches Niveau.
Hier angekommen musste man sich aber zunächst arg wundern. Unser Zimmer sah
aus, als ob hier bis gerade eben noch jemand gehaust hätte. Das Bett umgemacht
und hier und da lag noch Müll rum, aus dem fiesen dunklen Badezimmer sprang ich
direkt wieder entsetzt heraus. Im ähnlich gammligen Zimmer von Jan und Anne
roch es zudem noch stark nach Farbe, was aber nur den fiesen Geruch
übertünchte, der vom reichlich befleckten und zerschlissenen Teppichboden aufstieg.
Welcome to Hotel Ekel!! Normalerweise hätte man hier gleich flüchten und den
ganzen Bau brandschatzen müssen, aber mangels echter Alternativen und in der
beruhigenden Gewissheit hier nur eine Nacht bleiben zu müssen, zeigte man sich
gefügig.
Aber einen Grund hier länger als nur eben notwendig zu verweilen, gab es nicht
und deshalb mal mit dem Taxi hinaus zum Strand, der sicherlich 10 Kilometer
außerhalb des Stadtzentrums liegt. Dabei wurde mir erst jetzt richtig bewusst,
dass ich zum ersten Mal in meinem Leben den Atlantik wenige Meter vor mir habe.
Cooles Gefühl und wenngleich der unendlich weite Sandstrand nicht wirklich
gepflegt erscheint, sitzt man eine Zeitlang am Wasser und lässt Urlaubsgefühle
aufkommen, während in der Heimat ja immer noch gefühlter Winter herrscht.
Nach einem kurzen Stopp
in einem Fischrestaurant, in dem jeder von uns aufgrund von
Verständigungsproblemen statt einer einfachen Pommes eine Pommes mit
aufeinandergestapelten frittierten Fischen, Tintenfischringen und Scampis bekam
und anschließend die anderen drei eher argwöhnisch in ihrem Essen rumstocherten
und dies mit "ich ess keinen Fusch mit Kopf noch dran" oder "
davon kriegt man Durchfall" begründeten, aß ich als einziger meinen Teller
leer und lebe zur Überraschung aller auch heute noch.
Dann aber irgendwann auch zurück ins Zentrum und von dort zu Fuß zum Ground,
welcher problemlos vom Bahnhof bzw. vom Stadtzentrum in gut 10 Minuten
Fußmarsch erreichbar ist. Hier schon reichlich Gewusel und da man kein
Kassenhäuschen oder derartiges finden konnte, fragte man mal nen Typen, der
aufgrund seiner Uniform reichlich wichtig aussah. Dieser war über unseren
Besuch ein wenig erstaunt und fragte dreimal ungläubig nach, ob wir wirklich
DIESES Spiel sehen wollen.
Nachdem wir dies aber auch dreimal bejahten, führte er mich ein paar Ecken weiter
zu einem kleinen Stand, an dem tatsächlich ein Opa von der Ladefläche eines
Pick-up Karten verkaufte. Mein Begleiter drängelte sich jetzt einfach von der
Seite her kommend vor, was mir ja schon ein wenig peinlich war und wies
den Verkäufer lautstark an, dem Gast die besten Karten zu verkaufen.
Ehrentribüne für 100 Dirham das Stück, was ja auch nur knapp 10 Euro sind, geht
schon klar, wenngleich die Karten für die Tribüne der Heimfans nur 20 Dirham
kosteten. Aber da wollten wir eh nicht rein.
Somit jedenfalls beste
Sicht auf Höhe der Mittellinie, denn die gegenüberliegende Tribüne ist Standort
der örtlichen Ultragruppe, den „Helala Boys“.
Generell besteht der
15.000er Ground nur aus zwei Tribünen, die Bereiche hinter dem Tor sind
unbebaut. Das tat der gesamten Atmosphäre im Stadion allerdings keinen Abbruch,
denn man fühlte sich direkt nach Südamerika versetzt. Aber auch nicht
verwunderlich, denn Kenitras Szene orientiert sich stark am südamerikanische
Stil, was auch alleine schon an den grünweißen Bändern im Block deutlich wird
und so von kaum einer anderen marokkanischem Szene so praktiziert wird.
Der Support war dann
gleichsam ne absolute Bombe! Sehr melodische, ausdauernde Gesänge. Melodien
jenseits des Einheitsbreis und ein auch optisch ein absolut abgehender Mob mit
geilen Hüpfaktioen und so weiter. Der Capo gab auch in akrobatischer Hinsicht
alles und hatte die Massen absolut im Griff. Absolut krank auch der Umgang mit
bengalischen Fackeln. Nach Zündung wird zuerst wild im übervollen Block
herumgefuchtelt, ehe plötzlich mit dem Bengalo in der Hand von unten nach oben
durch den Block gerannt wird und die Leute wie gestochen durch den Block
springen. Zuguterletzt wird der Brennstab dann von oben in hohem Bogen aufs
Spielfeld geworfen, wobei er dieses in diesem Fall nur knapp erreichte. Nicht ausgeschlossen
also, dass man plötzlich eine 1000 Grad heiße Fackel im Nacken kleben hat.
Ansonsten war auch das ganze Drumherum interessant zu beobachten. Bis eine
halbe Stunde nach Anpfiff füllte sich das Stadion mehr und mehr. Immer wieder
rannten Kinder und Jugendliche in die Kurven und auch in unseren Bereich
schlichen sich immer wieder Leute, die entweder rabiat rausgeschmissen oder halt
geduldet waren und dann auf den Stufen oder zwischen den Reihen saßen. Um
halbwegs Ordnung zu bewahren, war dann " unser" Ordner bemüht, der
rein äußerlich ein wenig wie Bill Cosby aussah und eine imposante Warze mitten
im Gesicht trug. Er eilte immer hektisch von Ecke zu Ecke und vertrieb Leute von
ihren (unrechtmäßigen) Plätzen.
Dabei war er scheinbar manchmal kurz vorm Verzweifeln, ließ sich jedoch den
Humor nie nehmen. Guter Mann! Dazu kamen noch einige Anzugträger, die auch
irgendwas zu sagen hatten oder zumindest so taten und regelmäßig bei
Schiedsrichterfehlentscheidungen (und davon gab es so einige, z.B. Kenitra einen
klaren Elfer verwehrt und mitten im Angriff das Spiel abgepfiffen) völlig ausrasteten
und generell lautstark und gestenreich palaverten.
Schade nur, dass es bei einer torlosen Punkteteilung blieb, ich hätte dem
aufopferungsvoll kämpfenden Abstiegskandidaten gerne ein Tor bzw. den Sieg
gegönnt, das wäre auch stimmungstechnisch das letzte Sahnehäubchen gewesen.
Ein paar Worte zu den Gästen aus der Hauptstadt. Eine unerwartet hohe Anzahl
von ca. 3000 hatte den kurzen Weg nach Kenitra auf sich genommen und sich im
Gästeblock, der sich am Rand der Haupttribüne befindet, niedergelassen. Auch
von hier war anfangs recht südamerikanisch anmutender Suppport (u. a. mit
Regenschirmen usw.) zu vernehmen und es wurde mit ein paar Bengalos/Blinkbengalos
der Abendhimmel erleuchtet. Über die Dauer des Spiels ließ man aber
stimmungsmäßig stark nach und so lässt sich allenfalls ein durchschnittlicher
Auftritt attestieren, der nicht annähernd an die Wucht des Heimanhangs
heranreichte.
Nach Abpfiff gabs für
die Gäste eine Blocksperre, die jedoch äußerst unterhaltsam wirkte, da sich
einige Jungs einen Spaß daraus machten, mühelos das Spielfeld zu betreten und
auf den Platz zu laufen, um hakenschlagend möglichst lange den Verfolgern zu
entkommen bzw. wieder in den Block zu gelangen. Ein paar wurden geschnappt und
abgeführt, ein paar sprangen jedoch auch unter großem Jubel wieder in den Block.
Trotz Derbys scheint
hier übrigens Gewalt unter den Fans keine sonderlich große Rolle zu spielen,
ansonsten hätte Kenitra ohne weiteres ebenfalls den Platz stürmen können,
machte aber keine Bemühungen in diese Richtung.
Etwas mulmig wurde es dann aber doch auf dem Rückweg ins Zentrum. Die Straßen
nur dämmrig beleuchtet und irgendwie nur Kids aus dem Fanblock unterwegs
(generell sind die Fanblöcke von der Altersstruktur hier sehr jung, viele
Jugendliche im Alter von 13-20). Und genau diese Kids konnte ich kaum
einschätzen, zumal wir vier hellhäutigen Westeuropäer durchaus die Blicke auf
uns zogen und man kurz nach Spielende schon welche dabei beobachtete wie sie
Mülleimer aus der Verankerung traten. Ganz seltsame Situation und man hielt
bewusst etwas Abstand, da jetzt auch noch Kids anfingen ohne erkennbaren Grund
die Straße hochzurennen, nachdem man kurz vorher noch ein paar andere Jungs
beim Basketballspielen belästigt hatte. Das kann (muss aber nicht) böse
ausgehen, wenn man jetzt dem Falschen ins Auge fällt, zumal wir mit zwei Frauen
unterwegs sind.
So war man auch etwas
erleichtert als das belebtere Zentrum erreicht war und der McD zur Nahrungsaufnahme
besucht wurde. Während ich so draußen saß, rannte nochmal ein Mob von ca. 20
maximal 15-Jährigen die Straße hoch. Kein Plan, wo der Sinn darin lag.
Naja, mit einer Cola (Alkohol gibt's wenn überhaupt nur in einigen Hotels und
dort sehr teuer) noch auf den neuen Länder- bzw. Kontinentalpunkt angestoßen,
ging's dann irgendwann auch zurück ins Hotel Ekel und dort ins Bett. Bloß
nichts unnötig anfassen oder zu viel bewegen, igitt!
Gute Nacht!