Olympique Lyonnais  - Paris Saint-Germain    1:2

25.05.2024

Stade Pierre Mauroy

Coup de France Finale

Zuschauer: 50.000

 

  

 

Das französische Pokalfinale erlangte meine Aufmerksamkeit vor einigen Wochen.

Sonst Jahr für Jahr in der Hauptstadt Paris ausgetragen, war es in diesem Jahr anders, denn aufgrund der im Sommer dort stattfindenden Olympischen Spiele und den damit verbundenen Arbeiten am Stadion, durfte die Stadt Lille in diesem Jahr das Endspiel austragen.

Mit der Paarung Lyon gegen Paris sicherlich ein sehr attraktives Finale, welches gerade einmal ca. 4,5 Autostunden von mir entfernt stattfinden sollte.

Tickets erlangt man als neutrale Person, indem man sich einen Account auf der Seite des französischen Verbands kreiert und dann erstmal abwartet und abwartet.

Das Kontingent für beide Fanlager wurde über die jeweiligen Vereine verteilt und ein Rest sollte über den Verband verkauft werden.

Natürlich wurde rund 10 Tage vor dem Finale ohne jegliche Vorankündigung eines Morgens um 11 Uhr der neutrale Sale gestartet, als ich es dann gegen 13 Uhr dann auch mal merkte, war alles „sold out“ oder „complete“, wie der Franzose zu sagen pflegt.

Ich hatte somit meinen Besuch dort schon zu den Akten gelegt, ließ aber den Ticketshop einfach noch offen und drückte ein, zwei Tage in Folge immer mal wieder gelangweilt den „Aktualisieren-Button“.

Und siehe da, wie von Geisterhand sprangen noch hier und da freie Einzelplätze auf, sodass ich schnell zugriff und mir einen Platz mit guter Sicht auf beide Kurven sichern konnte. Über den Preis hüllen wir dezent den Mantel des Schweigens. Aber was soll’s. Coup de France-Finale ist nur einmal im Jahr und am Ende hat es sich allemal gelohnt und bringt einem tausend Mal mehr Erfahrung und Erinnerungen als ein durchgesoffener Abend im Club, bei dem man vermutlich ähnlich viel Geld ausgibt. Ja, so lege ich mir das schön zurecht 😊

So gondelte ich dann an diesem Samstag entspannt und die kleine fast schon obligatorische Stauung auf dem Antwerpener Ring mal außer Acht gelassen, weitgehend staufrei gen Lille, wo es mir - der frühen Ankunft sei Dank -  noch gelang, den Rennford kostenneutral rund 15 Gehminuten vorm Stadion entfernt zu parken.

Es brauchte nicht viele Meter, da war man voll drin in der Fußballatmosphäre. Diese Atmosphäre, die wir alle so lieben. Es knisterte in der Luft und die Szenerie war herrlich. Seidenschals über freien Oberkörpern, französische und nicht selten arabische Sprachfetzen, zu eng sitzende Adidas-Trainingshosen, Nafri-Jugendbanden, viel Pyrotechnik, vereinzeltes Gerenne und insgesamt eine hitzige Atmosphäre.

Ganz unvermittelt spurtet eine Sechsergruppe sportlich-muskulöser Männer mit der T-Shirt-Aufschrift „Hooligans from Poland“ an mir vorbei, was dann wohl Lyons Freunde vom LKS Lodz sind.

Kurz zuvor kam es schon zu einem Aufeinandertreffen auf den Zufahrtsstraßen als die Polizei einige Busse aus Lyon unfallbedingt umleiteten musste und diese inmitten der Paris-Busse leitete. Ein Bus ging dabei komplett in Flammen auf, die meterhohe schwarze Rauchwolke war durchaus imposant.

Ernsthaft verletzt wurde dabei offenbar niemand.

Trotz aller Spannung trat die Polizei am Stadion angemessen-dezent auf und sorgte so dafür, dass es vor den Toren nicht eskalierte, sondern alles in einem annehmbaren Rahmen blieb (vom völlig  zerstörten Bus vermutlich mal abgesehen). Eine gute Stunde dann mal rein in die Hütte, die normalerweise dem OSC Lille als Heimspielstädte dient, 2012 eröffnet wurde und mit seinen drei Rängen eigentlich ganz cool ist. Zudem ist das Dach verschließbar.

Während sich der Bereich der Pariser recht langsam füllte und erst zum Anpfiff voll war, bildeten die Anhänger aus Lyon bereits früh eine weiße Wand, denn „Tous en blanc“ war das Motto und so waren alle in weiß gekleidet, wozu dann in den meisten Fällen ja schon das Trikot reicht. Daneben gabs noch Finalshirts von der Szene. Ergab ein gleichsam beeindruckendes wie geiles Bild!

Nachdem dann mit allerlei Brimborium das Pokalfinale eingeläutet wurde, irgendeine Kapelle die Nationalhymne gespielt hatte, konnte es dann auch losgehen.

Und was soll ich sagen, die Stimmung war von Beginn an mächtig und wuchtig. Während der Anhang aus Paris mit einer eindrucksvollen Choreo zeigte, dass eben Paris die Hauptstadt ist und der Verein bereits eine ganze Reihe an Pokalen gesammelt hat, verzichtete man auf der gegenüberliegenden Seite auf besondere optische Akzente.

Schnell zeigte sich Paris‘ spielerische Übermacht, sodass es zur 34. Minute bereits 2:0 stand, was sich dann auch auf den Support auswirkte und der unter dem Namen „Collectif Ultras Paris“ vereinte Mob mehr und mehr das Stimmungsruder übernahm. Was für ein geiler anarchischer Haufen war das hier bitte? Unterstützt von Freunden aus Napoli und Castellammare di Stabia (Juve Stabia) riss man hier die Bude ab. Geil, geiler, megageil. Nach jahrelanger harter Repression scheint die Fanszene PSGs wieder dort zu sein, wo sie vor vielen Jahren war, als ich als kleiner Junge fasziniert auf die Fotos in der MatchLive glotzte und „Supras Auteuil“, „Tigris Mystic“, „Lutece Falco“ oder „Boulogne Boys“ Maßstäbe setzten.

Auf dem Platz schien also ein Sieg der Pariser nur noch reine Formsache. Jedoch erzielte Lyon in der 55. Minute den Anschluss, was dann endgültig Feuer ins Spiel brachte und selbst aus meiner neutralen Sichtweise tatsächlich Spannung aufkam und ein richtig feines Fußballspiel wurde.

Es ging auf uns ab, Torchance folgte auf Torchance, allein der Ball wollte nicht ins Netz. PSG warf insbesondere in der Schlussphase alles rein, um den Sieg über die Zeit zu retten, ehe dann um kurz vor 23 Uhr feststand, dass auch in diesem Jahr neben der Meisterschaft der Pokal ebenfalls in die Hauptstadt geht.

Auch auf den Rängen geht der Sieg nach Paris, wobei das insgesamt ein Urteil auf ganz hohem Niveau ist und auch Lyons Anhang sehr überzeugen konnte. Jedenfalls war ich sehr zufrieden mit dem Gesehenen, verzichtete dann doch auf die Pokalübergabe, sondern machte mich zeitig von dannen.

Grundsätzlich meide ich es, in französischen Unterkünften zu nächtigen, da einem a) ziemliche Dreckslöcher zu b) überteuerten Preisen angeboten werden. Aufgrund des Spiels heute war in Lille eh nichts mehr zu bekommen.

So fuhr ich noch etwa 40 Minuten nach Belgien rein, was ja eh auf dem Rückweg lag, wo ich in Waregem meine Herberge für eine Nacht fand.

Gute Nacht und Bonne nuit!