PAOK Thessaloniki - Aris Thessaloniki 1:0
04.01.2023
Stadion Toumba
Superleague
Zuschauer: 26.000 (keine Gäste)
Ein gesundes, zufriedenes und ja womöglich ein sogar fußballerisch
ereignisreiches neues Jahr wünsche ich allerseits.
In Punkto Fußballreisen startet das Jahr 2023 gleich mit einer
sogenannten Rosine, denn bereits am 4. Tag trifft man sich im griechischen
Thessaloniki zum Derby. Da meine Frau und ich die betreffende Woche ohnehin
frei haben, waren die Gabelflüge Düsseldorf, Thessaloniki, Athen, Düsseldorf
bei Aegean (zufriedenstellende Airline, wenig Beinfreiheit, dafür werden aber
kleine Snacks und Getränke verteilt) schnell gebucht, sodass der Hauptposten
der Reise fix stand.
Die Kartenbeschaffung war über die PAOK-Homepage ebenfalls sehr easy,
denn nach Anlegen eines Accounts gingen die Karten zwei Tage (!!) vor
Spielbeginn in den Verkauf, sodass in allen Kategorien Tickets verfügbar waren
und der Kauf über Ticketmaster.gr problemlos vonstatten ging.
Anstoß um 20:00 Uhr Ortszeit bei Landung um 16:30 Uhr klingt
erstmal recht entspannt, allerdings entwickelte ich mich nach Landung bereits
schnell und erneut in eine nervlich-psychisch menschliche Vollkatastrophe. Sehr zum Leidwesen meiner
Gefährtin, die aber in solchen Phasen mittlerweile ganz gut erkannt hat, was
die Stunde geschlagen hat und einfach den Mund hält.
Nachdem der Flieger mit rund einer 15-minütigen Verspätung auf
nordgriechischen Boden aufsetzte, dauerte es länger als geplant bis der X01-Bus
endlich vorfuhr, um uns je für preisgünstige 1,80 Euro ins ca. 15 Kilometer
entfernte Stadtzentrum zu fahren. Da rappelvolle Bus brauchte im dichten
Verkehrsgewusel ca. 50 Minuten, nach Ausstieg waren es noch knappe 10
Fußminuten zum Hotel, die Uhr zeigte mittlerweile kurz vor 19 Uhr, ein Fußmarsch
zum knapp 5 Kilometer entfernten Ground ist zwar möglich, aber so würde man
allenfalls knapp vor Anstoß vor Ort sein.
Der junge Hotel-Rezeptionist wusste zwar gar nicht, dass heute
Abend das Stadtderby steigt, war aber kompetent in Sachen Bestellung eines
Taxis, welches uns wenige Minuten später als Fahrgäste begrüßen durfte. Ca. 20
Minuten später und 10 Euro ärmer stehen wir somit vor der mächtigen überdachten
Haupttribüne des Toumba-Stadions, wo rund 20 Minuten vor Anstoß erwartungsgemäß
ein großes Gewusel herrscht, denn anders als bei vielen anderen Ligaspielen
gegen viele der relativ unbedeutenden Clubs der griechischen Eliteliga wird die
Hütte bei Spielen gegen die anderen Big-Four des Landes (Olympiakos, Panathinaikos,
AEK und eben Aris) dann doch annähernd voll.
So natürlich auch heute, gleich wenn kurz vor Anpfiff sogar noch
geöffnete Tageskassen erspäht werden konnten und es am Ende eher zu 90% statt
zu 100% ausverkauft sein sollte.
Der (geringe) sportliche Erfolg der beiden Leitwölfe der zweitgrößten
griechischen Stadt in dieser Saison dämpft die Euphorie vielleicht ein wenig,
denn Panathinaikos grüßt nach 15 Spieltagen mit deutlichem Vorsprung von der
Spitze und sollte – wenn nichts völlig Unvorhergesehenes mehr passiert – am
Ende die Meisterschaft einfahren.
Nichtsdestotrotz ist am heutigen Abend die Atmosphäre großartig,
Gate 4 (Standort des harten Kerns der Fanszene) singt sich warm, einige nicht
geringe Anzahl an Bengalos erstrahlt bereits vor Anpfiff den lauen Abendhimmel,
ehe beim Einlaufen der Mannhaften ein wahres Inferno aus Pyrotechnik in Form
von hunderten Bengalos, Feuerwerksraketen und Böllern für die so oft zitierte
südländische Stimmung sorgt, selbst in den eher gemäßigteren Bereichen wie auch
bei uns auf der Haupttribüne geht vereinzelt eine Fackel los, natürlich ohne
dass sich irgendjemand großartig daran stört.
Die Fanszene von PAOK, welches für Panthessalonikeios
Athlitikos Omilos Konstantinoupoliton steht, sieht sich traditionell als
chaotisch-anarchisch, sodass strukturiert-geplante Choreos hier eher selten zu
finden sind und ich mich ehrlich gesagt an keine einzige Choreo aus Gate 4
erinnern kann. Sicher sorgt das zumindest bei großen Spielen seit Jahren
geltende Gästeverbot auch nicht für unmittelbaren Anreiz, aber die Lads und
Lasses aus Hellas sind einfach viel zu hitzig und ohne jegliche Skrupel
unterwegs, sodass es bei Spielen mit Gästeanhang offenbar unmöglich ist,
seitens der Sicherheitskräfte für Unversehrtheit von Leib und Leben zu sorgen.
Wer einen Blick auf das Verhalten der Griechenland-Jungs bei
größeren Demos wie zum Beispiel gegen G8 oder G20-Gipfel blickt, der weiß, dass
die Typen riotechnisch in einer anderen Liga spielen als zum Beispiel der
Antifa-Mob aus Hamburg oder Berlin.
Als Resultat dieser kurzen Zündschnur findet sich der Besucher des
hiesigen Stadions zum Beispiel auch wie ein Vogel im Käfig im gesamten Bereich
von einem Netz umgeben, welches es quasi unmöglich macht, Dinge aufs Spielfeld
zu werfen oder dieses gar zu betreten.
Sei’s drum, der Stimmung tut dies wenig Abbruch, denn diese ist
die allermeiste Zeit über und trotz der sehr mäßigen Qualitäten auf dem Platz
prächtig. Den Support würde ich als tendenziell kehlig-stakkatoartig als
spritzig melodiös bezeichnen, die traditionelle Freundschaft zur Fanszene von
Partizan Belgrad mag hier vielleicht für deutliche balkantypische Einflüsse
sorgen.
Den einzigen Treffer des Abends erzielt dann übrigens PAOKs Sverrir
Ingason, sodass man sich zumindest Aussicht auf die internationalen Plätze
hält.
Nach Abpfiff, der durch zahlreiche Unterbrechungen weit nach 22 Uhr erfolgte, schleichen wir zu Fuß durch die für einen Donnerstag stark belebten Straßen der Stadt zurück zum Hotel und sagen leise „Tschüss“ zum Stadion Toumba, welches zumindest wir zwei wohl nicht mehr in seiner jetzigen Form besuchen werden, denn es gibt offenbar halbwegs konkrete Pläne für einen Neubau an jetziger Stelle. Einer kürzeren Netzrecherche zu Folge sollten bereits 2022 die Abrissbagger anrollen, da dies aber offensichtlich bislang nicht passierte und wir hier immer noch über Planung a la Griechenland reden, bleibt halbwegs ungewiss, wann was konkret passieren wird…