FK Crvena Zvezda – FK Partizan
Beograd 0:2
26.11.2011
Stadion Marakana
Super Liga
Zuschauer: 45.355 (ca.
5.000)
Mich zog es gute zwei
Stunden vor Anpfiff des Stadtderbys bereits in Richtung des heutigen
Spielortes. Das Marakana trägt seinen Namen in Anlehnung an das
,,Original" in Rio, da es - Stehplätzen sei Dank - auch vor langer Zeit
einmal über 100.000 Zuschauern Platz bot.
Heute fasst es nur noch rund 55.000 Menschen, was aber
auch völlig reicht, wenn nicht mal beim Derby die Bude ganz voll wird. Ich
machte mich jedenfalls vom Bahnhof auf den etwa 3 km langen Weg zum Stadion.
Zur Orientierung war nicht mal ein Stadtplan nötig, man musste nur den
zahlreichen Einheimischen nachlaufen.
Zudem standen auch auf
gesamter Strecke in regelmäßigen Abständen gepanzerte Polizeieinheiten, um die
Lage unter Kontrolle zu halten, was anscheinend gut klappte. Am Stadion selbst
war bereits und insbesondere vor der Roter Stern Kurve reichlich Gewusel; man
stimmte sich aufs Derby ein. Karten für die Westtribüne gab es noch reichlich
für faire 1200 Dinar, auf der Ost hätte man gar für 1000 unterkommen können
aber wegen zwei Euro hatte ich kein Bock nochmal weitläufig ums halbe Stadion
zu laufen. Nachdem noch ein ganz vorzüglich mundendes Stück Fleisch im
Fladenbrot verspeist worden war, ging's dann auch mal rein in die gute Stube.
Das erste, was man sieht sind fliegende Bengalos, die im konstanten Rhythmus
die Tribünenseite wechseln.
Welcome to Belgrade!!
Dabei brauchte ich einige Zeit, um zu realisieren, dass sich hier nicht Delije
und Grobari die Fackeln um die Ohren werfen, sondern der Partizananhang sich
untereinander bekämpft. Urheber dieses internen Konfliktes sind die beiden
Gruppen ,,Grobari" und ,,Alcatraz" und ohne die Hintergründe im
Detail zu kennen geht es wohl darum, dass Alcatraz aus wesentlich jüngeren
Mitgliedern besteht, als die Ü-40 Kanten der Grobari und die Meinung vertritt,
es sei Zeit für einen Macht- und Generationswechsel innerhalb der
Partizanszene. Die Grobari akzeptieren jedoch nicht, ihre Vormachtstellung
aufzugeben und werfen Alcatraz u.a. vor, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und
sich durch den Weiterverkauf von Tickets usw. selbst zu bereichern
Darüber hinaus habe einer der Führungsköpfe Alcatraz' eine
Roter-Stern-Vergangenheit, was das alles sicherlich nicht entspannter macht.
Die Wahrheit liegt vermutlich wie so oft irgendwo in der Mitte aber dennoch
findet in der Szene seit einiger Zeit eher ein Gegen- statt Miteinander statt.
Auch optisch allein
schon daran zu erkennen, dass die Grobari heute wie gewohnt im eigentlichen
Gästebereich stehen, während ein 1500 Mann starker Haufen sich von diesen
distanziert und sich im linken Bereich der Osttribüne niedergelassen hat.
Nun denn, rein sportlich gesehen spielt hier heute Zweiter gegen Erster, aber
das ist ja eigentlich fast immer so, wenn beide Teams aufeinander treffen. Dahingehend
ist der serbische Fußball halt recht langweilig, Roter Stern und Partizan,
dahinter kommt dann ganz lange nix.
Alles andere als
langweilig ist das, was die Delije heute abliefert. Das Derby wird mit einer
überaus satten Pyroorgie bestehend aus unzähligen Bengalos würdig eingeläutet;
ich schaffe es noch schnell ein paar Mal auf den Auslöser meiner Kamera zu
drücken, da nimmt einem der Rauch auch schon die gesamte Sicht, weil nicht nur
in der Kurve, sondern auch um mich herum reichlich gezündelt wird. Da springt
ein paar Meter vor mir ein 70-jähriger Opa im Roter Stern Dress freudig wie ein
kleines Kind auf und ab, weil er gerade ein Breslauer Feuer entfacht hat.
Freakshow!!!
Der Partizan-Anhang würdigt diesem Spektakel demonstrativ keines Blickes und
dreht sich geschlossen mit dem Rücken zum Spielfeld! Als sich dann der dichte
Rauch halbwegs verzogen hat, erstrahlen auch im Gästeblock etliche bengalische
Lichter. Dass die Dinger dabei gern auf der Tartanbahn oder auch auf dem Platz
entsorgt werden, scheint normal und als ein vor der Partizankurve stehender
Plastikaufsteller dadurch in Rekordzeit in eine meterhoch brennende
Flammensäule mutiert, hat auch die Feuerwehr etwas Richtiges zu tun Den wohlriechenden
Geruch verschmorrten Plastiks gibts gratis dazu.
Im Folgenden bieten
beide Seite recht lauten Support, wobei alleine der zahlenmäßigen Überlegenheit
wegen Roter Stern die Nase vorne hat. Sehr geschlossene Klatsch- und
Hüpfeinlagen bieten auch was fürs Auge, zudem wird die zweite Hälfte mit einer
großen rotweiß gestreiften Blockfahne gestartet, was zusammen mit einigen
Bengalos ebenfalls gelungen aussieht.
Das alles hilft jedoch nicht, hier und heute in der Tabelle bis auf einen Punkt
an Spitzenreiter Partizan heranzurücken. Die Chance zur Führung wird vom
Heimteam kläglich vergeben, indem man einen Elfmeter neben das Tor setzt.
Auch die ganz eigenwillige
Methode der rotweißen Fangemeinde Einfluss auf die Psyche des Gegners zu nehmen
führt nicht zum Erfolg.
Der Tunnel in Richtung
Kabinen liegt unmittelbar vor der Heimkurve und sobald sich nach Halbzeitpfiff
ein Schwarzweißer diesem Tunnel näherte, prasselte ein Regen aus Böllern,
Bengalos und sonstigen Gegenständen auf ihn herab. So kam es, dass ein großer
Teil der Partizanspieler während der Halbzeitpause auf der Spielerbank
verharren musste. In Deutschland völlig undenkbar, hier ticken die Uhren noch
etwas anders
Geholfen hat's aber nichts, Partizan zeigt sich in einem eher ausgeglichenem
Spiel etwas kaltschnäuziger und schießt so in der 72. und 78. Minute die zwei
Tore zum Endstand.
Als dann irgendwann der Abpfiff ertönte, war ich doch recht zufrieden.
Stimmungstechnisch auf hohem Niveau und ein absolut krasser und exzessiver
Umgang mit Pyrotechnik.
Der Weg zum Hostel
wurde dann wiederum zu Fuß absolviert, gute 5 Kilometer, aber so sieht man
zumindest noch ein wenig was von der Stadt. Tja, was soll ich zu Belgrad sagen?
Habe sicherlich schon schönere Städte gesehen, aber sicherlich auch schon
üblere. Insgesamt wenig Highlights, wenngleich man Belgrad eine der besten
Partyszenen Europas nachsagt. Vor allem im Sommer dürfte die Stadt ganz anders
wirken, die Donau trägt dann sicherlich ihren Teil zum Wohlfühlfaktor bei. So wirkte es dann aber heute alles eher
ein wenig trist, aber die Schönheit dieser Stadt entdeckt man vermutlich erst
auf den zweiten Blick.
Nach gut einstündigem Marsch ( inkl. einem kleinen Verläufer) war ich dann
angekommen im Hostel auch stehend KO, sodass nur noch alleine mit zwei Dosen
Jelen ( einheimisches und wohlschmeckendes Bier) auf den Länderpunkt Serbien,
auf mich und das Leben angestoßen wurde, eher ich mich dem Schlaf der Gerechten
hingab.
Am nächsten Morgen mit
dem Bus zurück zum AirPort, von dort mit Germanwings nach Köln/Bonn und da mein
Auto ja noch in Dortmund stand, musste noch etwas Bus und Bahn gefahren werden.
Gegen frühen Abend also wieder im schönen Meppen angekommen.
Netter Ausflug; müsste man öfters machen.