FC Sankt Gallen - BSC Young Boys 3: 3
09.02.2020
Superleague
Arena Sank Gallen
Zuschauer: 19.024 (ca. 1.000 Gäste)
Wäre allemal ne 16.000
Euro-Frage bei Günther Jauchs „Wer wird Millionär?“, vielleicht sogar
prädestiniert für die 32.000er.
Ist ja auch egal, denn
sicherlich würde Frieda K. aus Bottrop-Boy ganz gut ins Schwitzen kommen bei
der Frage, wer denn aktuell die Schweizer Superleague anführt.
A) FC Basel B)FC Zürich C) FC Sankt Gallen oder D) Young Boys Bern.
„Basel!“ hätte Frieda K. vermutlich in
Ermangelung übriggebliebener Joker getippt, denn ist dies der Club, der zumindest
subjektiv betrachtet, am ehesten international wahrgenommen wird.
Dennoch wäre Frieda sang-
und klanglos ausgeschieden und ihr Traum von der Million, wie Herthas Traum mit
Jürgen Klinsmann einen langfristigen Trainer zu haben, zerplatzt.
Aber hättest du die Antwort gewusst, lieber Leser?
Tatsächlich ist’s der FC Sankt Gallen, 1879 gegründet
und somit ältester Fußballverein auf dem europäischen
Festland, der derzeit von der Tabellenspitze
grüßt. Das Ganze zwar punktgleich mit den Schwarzgelben aus
Bern, aber das
bessere Torverhältnis liegt auf Seiten der Ostschweizer.
Ja, und heute gab es also das direkte Duell, welches angesichts der hiernach
noch 13 verbleibenden Spiele zwar keine Vorentscheidung bringen würde, dennoch
aber bei einem Sieg sicher ganz wichtig für die Moral sein dürfte.
Interessante und durchaus spannende Konstellation also und da ohnehin noch ein
großes Fragezeichen über den Köpfen meiner Frau und mir schwebte, was die
Karnevals-Flucht-Planung 2020 anging, kam das Angebot von Andrin, doch mal in Sankt
Gallen vorbei zu schauen, ganz gelegen.
Mit Andrin, der u. A. den Blog andrinunterwegs betreibt, stehe ich schon eine
ganze Weile in Kontakt. Ein gemeinsamer Trip durch die Ukraine musste letztes
Jahr aufgrund schwachsinniger Terminierung des ukrainischen Verbandes meinerseits
gecancelt werden, dieses Mal sollte es aber was werden mit dem kleinen „Meet and
Greet“ und so stand man sich an einem Sonntagvormittag erstmals persönlich gegenüber
und anschließend gab prompt eine Stadtführung durch die wirklich sehenswerte
und schöne 75.000- Einwohnerstadt in der Nähe des Bodensees, wobei man eine
Menge Eindrücke in die Geschichte und Besonderheiten der Stadt erhielt.
Besonders empfehlenswert ist sicherlich die charmante Altstadt sowie der
Stiftsbezirk inklusive Stiftskirche (unbedingt von Innen besuchen) sowie die
schwer beeindruckende Stiftsbibliothek, welche UNESCO Weltkulturerbe ist und dem
Eindruck nach in unzähligen alten Büchern fast das gesamte Wissen der
Menschheit beherbergt. Bin ja sonst eher der Typ, der vergeichsweise seltener
in Bibliotheken herumgeistert, aber allein die geniale Optik hier beeindruckt
unheimlich und könnte ohne weiteres Kulisse für Harry Potter sein.
Fotos sind hier nicht erlaubt, aber bei Google gibt’s bestimmt ein paar Bilder.
Lohnt sich, wenn man ein wenig Sinn dafür hat und nicht zu 100% Mallorca-Prolet
ist.
Gegen Nachmittag ging’s dann mit dem Bus vom Bahnhof raus in den Westen der
Stadt, wo das Stadion, welches derzeit den Namen eines Herstellers von medizinischen/orthopädischen
Gegenständen mit der Ergänzung –„Park“ trägt und seit 2008 Heimat der Grünweißen
ist, steht. Wenig überraschend kam quasi zeitgleich der Berner-Awaymob den
kurzen Weg vom Bahnhof Winkeln daher. Schöner Haufen insgesamt und auch hier
schien man gut motiviert zu sein, etwa 1.000 Tickets fanden den Weg via
Vorverkauf in die Hauptstadt.
Kleine Anekdote vielleicht noch bevor‘s auf die Ränge geht: Die Eidgenossen
sind uns Deutschen ja in vielen Dingen ähnlich, in Sachen Bratwurstkultur unterscheidet
man sich aber eklatant.
Die durchaus sehr wohlschmeckende Bratwurst wird in einer seltsam anmutenden
länglichen Tüte serviert, weiterhin wird dem Stadionkulinariker ein halbes
Brötchen (hier „Buerli“ genannt) gereicht.
Was liegt nun näher als den Sinn der Papiertüte in Frage zu stellen und die
Bratwurst aus ihrem eigentümlichen „Gefängnis“ zu befreien, um diese zu knicken
und in die Hälfte des Brötchens zu pressen, um wiederum anschließend quasi
synchron Wurst und Brot zu verschlingen?
Nicht so hier- die Wurst hat in der Tüte zu bleiben und wird erst recht
nicht geknickt. Brötchen in der einen Hand, Wurst- (Tüte) in der anderen,
aber auf keinen Fall beides in einer. Da stand ich nun wie ein deutscher Heinz
mit durchgebrochener Wurst und halb aufgerissenem Brötchen und Andrin ruft
völlig schockiert „Nicht Knicken, nicht ins Brötchen! Um Gottes Willen, nein!!“.
Hehe, ja sorry für den
kulturellen Fauxpas.
Ansonsten können sich die Verantwortlichen aus Deutschland hier aber ne Menge abschauen.
Keine übertrieben nervigen Bullen, netter Ordnungsdienst und wenn mal ne Fackel
brennt, dann kriegt hier auch keiner nen Herzinfarkt.
Ok, kurz vor Anpfiff von Andrin verabschiedet, der das Spiel natürlich mit
seiner Gruppe im „Espenblock“ schaut und das Intro abgewartet, welches beide
Seiten durchaus gelungen und recht kreativ gestalteten.
Der Espenblock adaptiert ein Batman-Zitat „Remember to always be yourself, unless
you can be Batman. Then always be Batman.“ und macht daraus passend die Sankt-Gallen-Variante“.
Dazu wurde mittig im Blick ein Batman, der sich zum FCSG bekennt, gezeigt und
durch eine Stadtsilhouette und Papptafeln abgerundet.
Ebenfalls ein starkes Bild gab der volle Gästebereich ab, denn in Anspielung
auf den heiligen Gallus, der der Legende zu Folge vor rund 1.500 Jahren den
Grundstein für die Stadtgründung legte, meint man, dass es nur einen Heiligen
gibt, nämlich "San Giallo Nero", was entsprechend durch Blockfahne und Bengalos abgerundet
wurde.
Im Folgenden entwickelte sich eine durchaus ansehnliche Partie und auch auf den
Rängen schafften es beide Seiten den stimmungsvollen Rahmen entsprechend zu
setzen. Der Spielverlauf spricht für sich.
Sankt Gallen geht - obwohl leicht ersatzgeschwächt - in der 10. Minute in
Führung, doch wenig später schied Abwehrmann Letard verletzungsbedingt aus und
Bern wendete noch vor der Halbzeit durch Nsame (44.) sowie Moumi Ngamaleu
(45.+2) das Blatt. Es sollte nicht die einzige Wende der Partie sein, denn
Demirovic (73.) glich für das Team des Gastgebers
aus, ehe es in eine turbulente Schlussphase ging. Zunächst erzielte der
ehemalige Lauterer Görtler in der ersten Minute der Nachspielzeit das viel
umjubelte 3:2, doch das war noch längst nicht der Schlusspunkt, denn der Schiri
entschied in einer umstrittenen Szene auf Strafstoß wegen Handspiels für die
Young Boys: Berns Hoarau trat an und scheiterte, doch der Elfmeter musste
wiederholt werden - Schlussmann Ati Zigi hatte sich zu früh bewegt. Trotz hitziger
Proteste und unter großer Fassungslosigkeit des Publikums durfte Hoarau noch
einmal ran. Und der Franzose nutzte seinen zweiten Versuch, um zum 3:3 zu
treffen und seinem Team so zumindest einen Punkt zu sichern. Junge, Junge! Vor
dem Spiel hätte dir sicherlich jeder Grünweiße das 3:3 unterschrieben, aber so?
Am Ende überwogen dann doch eher Wut und Traurigkeit.
Aus neutraler Sicht
natürlich sehr unterhaltsame 90 Minuten, obwohl ich dem FCSG den Sieg natürlich
gegönnt hätte und ich alle Daumen drücke, dass die Meisterschaft im Mai zum
dritten Mal nach 1904 und 2000 in der Gallusstadt gefeiert wird.
Am Abend ging dann nix mehr, ehe meine Frau und ich am Folgetag einen Abstecher
nach Zürich machten und dort den ersten richtigen Frühlingstag bei 18 Grad und
Sonne u. a. am Zürichsee genossen (zwei Tage später fiel allerdings schon dort
wieder leichter Schnee).
Am Abend zurück in Sankt
Gallen wurde sich noch mit Andrin zum Abendessen in einer rustikalen Schweizer
Lokalität getroffen, ehe es am nächsten Morgen heimwärts ging.
Vielen Dank für die
interessanten Tage in der Ostschweiz, die entgegengebrachte Gastfreundschaft
sowie viel Erfolg im Meisterschaftskampf.
Hopp, Sankt Galle!