27.06.2020
Stadion FK Banik Sokolov
FNL
Dobry den, ihr fussballfanatischen Sars-Covid-19-Maß-Spreader!
Da hat uns doch dieses kleine Chinesen-Virus, welches ja sogar aussieht wie ein
gammliger Fußball mit Stacheln, ordentlich den Stecker gezogen und in den
fußballerischen Standby-Modus geschickt.
Aber alles halb so wild, denn zumindest ich habe die Zeit seit Mitte März ganz
gut gestaltet und kann sagen, sogar irgendwie durch diese erfahrene
Entschleunigung so etwas wie innere Erholung gefunden zu haben, zeitweise hatte
ich nach einer Phase des kalten Entzugs gar nahezu „Angst“, gänzlich das Interesse
an dem ganzen „Fußballscheiß“ zu verlieren. Naja, ist aber so nicht
eingetreten, die „Leidenschaft“ ist dann doch stärker und schafft weiter Leiden.
Insgesamt natürlich alles Luxusprobleme; erzähl den Quatsch aus den
einleitenden Zeilen hier mal einem Selbstständigen, der gerade seine Existenz
dahinschwinden sieht oder einer alleinerziehenden Mutter von drei kleinen
Kindern in ner 50 Quadratmeter-Bude....
Nun gut, jetzt aber wieder Fußball.
Letztlich hätte ich Ende März sogar einen stattlichen Betrag dagegen gewettet,
wenn mir jemand gesagt hätte, dass man ab Anfang Juni wieder Fußball live im
Stadion vor Zuschauern sehen kann, ohne dafür nach Belarus reisen zu müssen.
So waren es dann im Falle von Gubbel, Gerrit und mir „nur“ 111 Tage ohne Spiel.
Kürzer als gedacht, länger als gewünscht.
Übrigens geht der 6. Juni als „Internationaler Tag des Groundhoppers“ in die
Geschichte ein, denn an diesem Datum ließ Tschechien nach dem Lockdown
erstmalig wieder Zuschauer in begrenzter Zahl Spielen der ersten und zweiten
Liga beiwohnen (alles unterhalb wurde abgebrochen, stattdessen boten bzw.
bieten Freundschaftsspiele und ein eigens ins Leben gerufener „Corona-Cup“ die
Möglichkeit des Amateuer-Fussballsports) und erwartungsgemäß strömten die
Hoppermassen an diesem Wochenende in dreistelligen Mobstärken ins Klobasa-Land.
Einige Länder wie die Dänemark, Island oder Litauen taten es ähnlich und aus
Serbien und Ungarn drangen Bilder durch die Internetleitung, von denen man
denken konnte, sie seien weit von Corona entstanden.
Ein kleiner Lichtblick, auch wenn sicherlich klar ist, dass nicht alles in Sachen
Pandemie vorbei ist und es erst in gewohnter Form weiter geht, wenn das Ganze
mal besiegt ist.
Fest stand jedoch: An diesem Wochenende sollte es wieder Fußball geben und so
trafen sich wie gesagt Gubbel, Gerrit und ich als Fahrer an diesem Samstag um 8
Uhr am schönsten Stadion der Welt, um via Hannover, Braunschweig, Magdeburg,
Leipzig, durchs Erzgebirge ins tschechische Städtchen Sokolov zu fahren.
Insbesondere Magdeburg scheint die unerwartet viele Freizeit
genutzt zu haben, um in Sachen Graffiti einige neue Sachen zur Reviermarkierung
aufs Gestein zu bringen.
Im westböhmischen Sokolov angekommen hatte eine knappe Stunde vor Anstoß das
Kassenhäuschen schon geöffnet und im Austausch von je 50 Kronen (ca. 1,60 Euro)
gab es die Eintrittskarten, die allerdings sehr hässlich daher kamen, da sie
lediglich aus einem 3x3 cm großen Papierschnipsel mit einer dreistelligen Zahl
bestanden und daher sicherlich nur sehr widerwillig den Weg ins Sammelalbum
finden wird, um dort als „hässliches Kind der Familie“ ein Dasein der
Bedeutungslosigkeit fristen zu müssen.
Da noch etwas Zeit bis zum Anstoß um 17 Uhr blieb, fuhren wir noch ein kleines
Stückchen weiter, nämlich etwa 10 km ins malerisch gelegene Städtchen Loket
(schaut es euch mal bei Google Maps an, ein Hauch von Game of Thrones), wo wir
direkt am Marktplatz unser Dreibettzimmer für die Nacht gebucht hatten.
Kurz die Rucksäcke und Taschen aufs Zimmer, frisches T-Shirt
an und fix zurück zum Ort des Spielgeschehens.
Am Einlass, wo mittlerweile erwartungsgemäß der deutsche Hoppermob regierte,
interessierte sich irgendwie keiner für die Eintrittskarte, stattdessen wurde
(vermutlich eher alibimäßig) Fieber gemessen und die Hände mit
Desinfektionsspray versehen.
Das war’s dann aber auch und man konnte wieder tief
durchatmen, endlich mal wieder im Stadion zu stehen.
Gutes Gefühl, zumal das Stadion wirklich schick daherkommt.
Eyecatcher sind sicherlich die deutlich in die Jahre gekommene Sitzplatztribüne
auf der Geraden sowie der imposante Graswall hinterm Tor, von dessen Kuppe man
schön von oben herab aufs Spielfeld glotzt.
Mit nem kalten Pivo, welches vom sich nicht lumpen lassenden
Länderpunkt-Gerrit spendiert wurde, in der Hand gibt es wirklich schlimmere
Orte, an denen man sich gerade aufhalten könnte.
Allerdings trübte ein herannahendes Gewitter die erhabene
Szenerie ein wenig, sodass man sich unter Nichteinhaltung der Abstandsregeln
unters Tribünendach verzog, durch das es zwar stellenweise tropfte, aber
grundsätzlich guten Schutz vor den sich heftig ergießenden Wassermassen bot,
ehe der Spuk irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit vorbei war.
Selbstverständlich gehört auch das Verspeisen einer Klobasa zum Tschechienbesuch
dazu wie Dilettantismus zum Hamburger SV und nachdem dem Fettprengel
geschmacklich eine gute Note gegeben wurde, war man vollends zufrieden und
harrte dem Schlusspfiff entgegen, welcher wichtige drei Punkte für die
Hausherren im Anstiegskampf bedeutete.
Das freute mich dann ganz besonders für den heute einzig
aktiven Fan auf Heimseite. Ein etwa 60-jähriger Typ im Trikot mit Drumstick und
Trommel bewaffnet unterstützte inmitten des normalen Sitzplatzpublikums sein
Team konstant und leidenschaftlich und wandte sich dabei immer mal wieder
stehend zum Publikum, um eine Art Banik-Sokolov-Wechselgesang zu initiieren.
Top! So viel Leidenschaft feier ich!!
Für uns ging’s nach Abpfiff mit kurzem Zwischenstopp Supermarkt zurück nach
Loket, wo übrigens, wie an vielen Stellen des Örtchens zu erkennen ist, J.W.
von Goethe damals gerne weilte. Dieser war natürlich wie jeder weiß ein echter
Top-Lad und kaum zimperlich, denn so machte er doch im Jahre 1832 hier der
19-jährigen Ulrike von Levetzow einen Heiratsantrag. „Problematisch“ hierbei
vielleicht, dass der liebe Jonny da schon 74 Jahre alt war und wenig
verwunderlich einen Korb erhielt.
Ja, man merkt - Reisen bildet und wäre das nicht genug, so lernte ein Mitglied
unserer Reisegruppe bei einer Runde Pizza, Pivo und Becherovka sogar die
richtige Aussprache der polnischen Stadt Zabrze ehe irgendwann Nachtruhe
einkehrte.
Dobrou noc!