FK Zenit St. Petersburg –
FK Spartak Moskau 4:2
02.10.2016
Premier-Liga
Petrovskij-Stadion
Zuschauer: 18.684 (ca.
1.800 Gäste)
Bereits um 5:15 h beendete
der Wecker die kurze Nacht, vor lauter Vorfreude auf den kommenden Tag lag ich
aber eh ab 5 wach… Fix unter die Dusche,
paar Sachen zusammengekramt und ab zum Leningrad-Bahnhof, von wo um 6:40 h unser
Zug nach St. Petersburg (welches bis 1991 Leningrad hieß) starten sollte.
Konkret fiel die
Entscheidung für den Sapsan, welcher so in etwa das Pendant zum deutschen ICE
darstellt, von Siemens gebaut wurde und die knapp 700 Kilometer in 4 Stunden
durch Wälder, Sümpfe und kleine Ortschaften wegballert. Sehr angenehm und mit
70 Euro Return sogar noch recht fair. Auch hier scheint mir ein Vorabkauf über
die Internetseite der russischen Bahn recht sinnvoll, so war doch der Zug trotz
enormer Länge offensichtlich proppenvoll, neben zahlreichen Einheimischen war
auch der asiatische Kontinent abermals stark vertreten.
Auf die Minute genau St. Petersburg erreicht, wurde direkt mal eine der
Hauptverkehrsstraßen gen Fluss (Neva) bzw. Ostseeufer hochgelatscht und hier
und dort mal das ein oder andere Geschäftchen von innen begutachtet, ehe man
irgendwann vor der Eremitage stand.
Bereits von außen mit dem riesigen Vorplatz architektonisch sehr beeindruckend,
handelt es sich hierbei um eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt mit
Werken von u.a. Rembrandt, Rubens, Da Vinci und Picasso.
Allesamt sicher keine Schmierfinken
und wenn man berücksichtigt, dass allein dieses Museum mit angrenzendem
Winterpalast 2.500 Menschen Arbeit bietet, dann ist das schon gewaltig.
Aber nunja, die Zeit reicht auf solch kurzen Wochenendtrips bei Weitem nicht,
um sich all das anzusehen, was man gerne möchte und so kann ich sicher nochmal
herkommen, wenn ich 60 oder so bzw. ein verwirrt kauziger Kunstsammler bin.
Momentan findet meine
Kunst eher auf den Rängen von Fußballstadien statt und da sollte das
Aufeinandertreffen der beiden russischen Topteams doch sicher einiges bereit
halten.
Da zum heutigen Spitzenspieler (Erster gegen Dritter) mit ausverkauftem
Hause
zu rechnen war (und es wohl auch später so kam; die offizielle
Zuschauerzahl halte ich für fast noch zu niedrig) hatten wir die
Tickets in
Voraus von Zuhause geordert, denn Zenit bietet einen formidablen
Online-Sale.
Mit 35 Euro pro Karte
sicherlich nicht besonders preiswert, aber ist halt Spitzenspiel; da beträgt
die Teuerungsrate im Vergleich zu "Gammelgegnern" schon mal 100% und
mehr. Aufgrund der bereits früh beantworteten Ticketfrage konnten wir es
gemächlich angehen lassen und uns somit noch in einer stadionnahen Pizzeria mit
je einer Pizza stärken, ehe es die wenigen 100 Meter zum Ground ging.
Die Atmosphäre irgendwie
kaum einzuschätzen. Einerseits alles locker und hier und da laufen auch mal Spartak-Fans
mit klar erkennbaren Fanutensilien ungehindert durch die Gegend, andererseits weiß
ja jedes Kind, dass die Szene von St. Petersburg kein Kind von Traurigkeit ist
und für Auswärtige (siehe z. B.
Dortmund ) gerne mal schlagkräftige Willkommensgrüße bereit hält.
Also mal die verbale Kommunikation
auf das nötigste begrenzen und weiter. Dass ein bisschen Vorsicht nicht schaden
kann, bestätigt sich auch wenige Sekunden später als ca. 20 jugendliche
Petersburger auf der anderen Straßenseite wie auf Kommando zum Spurt in einen
Park ansetzen und dort auch wohl auf gleichgesinnte (?) Hauptstädter treffen,
ehe die hektisch reagierende Polizei weiteres unterbindet und festsetzt, wer
sich nicht schnell genug in die umliegenden Straßenzüge flüchten kann.
Die nächsten großen Augen gab es dann am Eingang. Da das Stadion auf einer Art
Insel liegt, führt sowohl für Gäste als auch für Heimfans nur ein Weg vor die
Zugänge.
Um es hier nicht zu
unschönen Szenen kommen zu lassen, wird ordentlich finster dreinschauendes Sicherheitspersonal
in Tarnuniformen herbeigeschafft, welches sodann eine menschliche Mauer bildet.
Seltsame Gegebenheiten hier.
So manch ein
Verantwortlicher dürfte erleichtert durchatmen, wenn Zenit im nächsten Jahr ins
neue 60.000er Stadion zieht, welches derzeit am Stadtrand gebaut wird und
bereits im Sommer zum Konfed-Cup Spielort sein wird.
Nichtsdestotrotz ist das traditionsreiche Petrovkij-Stadion eine feine
Ostblockschüssel mit megageilen Flutlicht-Fliegenklatschen. Kaum Komfort, nur
ein winziger überdachter Bereich auf einer der Geraden und im Winter zieht‘s
hier bestimmt wie Hechtsuppe. Weit entfernt von internationalen Standards -
Oldschool vom Feinsten halt. Daumen hoch! Bin froh, das Ding noch gemacht zu
haben.
Und dazu noch mit ner
richtig feinen Partie. Spartaks Anhang sehr zahlreich und den Gästesektor
komplett ausfüllend angereist, zudem mit den roten Überziehleibchen und der
schicken Zaunbeflaggung ein starkes Bild abgebend.
Bei Zenit gab es zu Spielbeginn eine schicke Choreografie, die darin bestand,
dass einige der kulturell wichtigsten Gebäude der Stadt zusammen mit dem
Konterfei eines Pianisten (?) abgebildet wurden. Dazu sinngemäß die Aussage
"Kulturhauptstadt". Hintergrund ist der, dass St. Petersburg von
1712-1918 tatsächlich Hauptstadt des russischen Reiches war und die Aberkennung
dieses Status' zu Gunsten Moskaus sicherlich eine gewisse Art von Rivalität
zwischen diesen Städten herrührt.
In den Augen vieler Petersburger hat man kulturell und historisch aber auch heute noch gegenüber Moskau die Nase vorn und ist von daher nach Meinung vieler eben "Kulturhauptstadt". Damit nicht genug wurde das Transparent mit dem Pianisten heruntergelassen und durch einen vermummten Typen mit Megafon ersetzt. Dazu wurde „Kulturhauptstadt“ zu „Ultrahauptstadt", welches zusätzlich durch Dutzende Bengalos links und rechts flankiert wurde. Top Idee! Top Umsetzung!
Ansonsten wurde alles geboten, was eine solche Paarung theoretisch zu bieten
hat. Pyro auf beiden Seiten, starker Support, bei Zenit mehrmals getragen vom
ganzen Stadion und ein flottes Spiel beider Teams mit Torchancen hüben wie
drüben und demzufolge auch sechs Toren.
Das letzte vernahmen wir allerdings nur von außerhalb des Stadions, denn wir
mussten dieses ein paar Minuten vor Abpfiff verlassen, um unseren Sapsan Richtung
Moskau um 19:10 h zu kriegen. Bedeuteten also 55 Minuten zwischen Abpfiff und
Abfahrt, was reichlich klingt, aber noch zwei Mal in der Metro umgestiegen
werden musste und wir nicht riskieren wollten, den Zug zu verpassen und
demzufolge irgendwo zu stranden oder die nervenzehrende 8
Stunden-Bimmelbahn-Verbindung nachbuchen zu müssen.
Letztlich schafften wir es in 30 Minuten zum Bahnhof, sodass noch bisschen Zeit
für Reiseproviantsbeschaffung blieb, ehe in den erneut äußerst gut gefüllten Schnellzug
gehüpft wurde und man erneut nach vier Stunden die Hauptstadt erreichte und eine
halbe Stunde später im Hotel war.
Geiler Tag, hat alles
perfekt gepasst!
Nach erholsamer Nacht ging es dann am nächsten Mittag wieder gen Deutschland.
Fazit: Super Kurzausflug ins Zarenland.
Wettertechnisch echt Glück gehabt, Russland gar nicht so teuer wie erwartet (rangierte
man vor 5 Jahren oder so noch auf Platz 1 der teuersten Städte, so ist man
jetzt irgendwo bei Platz 56), Metronetz super organisiert und fixe Taktung,
wenngleich es teilweise echt megatief ins Erdinnere geht. Der Russe an
sich gar nicht so grimmig wie erwartet und zumindest die jüngeren Leute
sprechen der Erfahrung nach zu urteilen zumindest ein paar Brocken Englisch.
Die überlebenswichtigste Erkenntnis zum Schluss: Alkohol (speziell Bier) darf in der Öffentlichkeit nicht getrunken werden, wenn man die Dose wie ein Penner jedoch mit einer Tüte o.Ä. umhüllt ist es Ok :-)